Editorials 2024
In diesen Tagen drücken wir (hoffentlich beim Erscheinen dieses Textes noch immer) die Daumen für unsere Fussballnationalmannschaft und wünschen ihr, dass sie auf dem Siegerpodest des europäischen Fussballs stehen möge. Anderswo zählt die Schweiz bereits seit Jahren zu den weltweit Besten, ohne dass die Öffentlichkeit davon besondere Notiz nimmt. Die Rede ist vom Energie-Trilemma, eine vom Weltenergierat im Jahr 2010 geschaffene Messgrösse für die Energielage eines Landes.
Der Trilemma-Index beschreibt den Konflikt zwischen den drei energiepolitischen Zielen «Energieversorgungssicherheit», «Zugang/Bezahlbarkeit» sowie «Ökologische Nachhaltigkeit». Alljährlich erfolgt ein Ranking von rund 130 Ländern in Bezug auf ihre Fähigkeit, das Energie-Trilemma zu bewältigen. Seit Jahren ist die Schweiz zusammen mit Dänemark, Schweden und Finnland in den Top Vier platziert, häufig auf Platz eins. Besonders gut schneidet unser Land jeweils beim Kriterium «Zugang/Bezahlbarkeit» ab. Wir verfügen jederzeit über eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Gerade die Kosten für fossile Energieträger sind gemäss Landesindex der Konsumentenpreise in den vergangenen Jahren im Verhältnis zu den übrigen Lebenshaltungskosten stets gesunken. Bei der Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit führen die Schweiz, Schweden und Norwegen. Der Weltenergierat schreibt dazu: Diese Länder haben auf Energieef zienz gesetzt, diversifizierte kohlenstoffarme Energiesysteme eingeführt und effektive politische Instrumente eingesetzt, um die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Welch ein Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Schweiz!
Der Bedeutung der Bewertung durch den Weltenergierat liegt sowohl in der Gesamtbetrachtung der Energiesysteme als auch im langfristigen Vergleich der Entwicklungen in zahlreichen Ländern. Bezüglich der Versorgungssicherheit erhält die Schweiz ebenfalls Jahr für Jahr gute Noten, doch dürfte dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, dass diese in den kommenden Jahren gefährdet ist. Der langjährige Podestplatz sollte uns nicht dazu verleiten, uns auf den Lorbeeren auszuruhen. Für die insgesamt gut abschneidenden europäischen Staaten halten die Autoren des kürzlich publizierten 15. Trilemma-Berichts denn auch eine Warnung bereit. Zwar konnte Europa den unmittelbaren Energieengpass nach dem Ausfall der russischen Versorgung meistern. Die langfristige Strategie vieler europäischer Staaten birgt laut dem Weltenergierat allerdings Risiken wie geringere Wettbewerbsfähigkeit, höhere Energiekosten und den Verlust technologischer Vorteile, was eine Deindustrialisierung zur Folge haben könnte. Dann wäre die Zeit der Podestplätze vorbei. Unser heutiges Energiesystem verdient politische Entscheide, die mit Bedacht gefällt werden und alle Dimensionen des Energie-Trilemmas berücksichtigen.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Es mag im ersten Moment überraschen: als Vertreter der Mineralölwirtschaft äussere ich mich zur Stromversorgung und Kernenergie. Es gehört zur DNA der «Petroliers», für eine bezahlbare, sichere und jederzeit verfügbare Energieversorgung Verantwortung zu tragen. Dies beinhaltet auch ein vertieftes Verständnis für die logistischen und physikalischen Voraussetzungen, die für eine gesicherte Energieversorgung nötig sind. Diesbezüglich zeigen sich in jüngster Zeit Fehlentwicklungen. Diese haben zur Folge, dass die Mineralölfirmen in den kommenden Jahren auch noch die letzte Verteidigungslinie für eine sichere Stromversorgung im Winter gewährleisten. Sie werden im Notfall hunderte von Stromgeneratoren sowie grosse Ölkraftwerke mit Diesel beliefern.
Ausserhalb des deutschen Sprachraums geht man andere Wege. Finnland schaltete dieses Jahr das bisher grösste Kernkraftwerk Olkiluoto 3 ans Netz. Zwar mit 13 Jahren Verspätung und enormen Kostenüberschreitungen, aber die Finnen und selbst die Vertreterinnen der Grünen akzeptieren die Kernenergie; ja sie sind erleichtert, gewährt Olkiluoto 3 doch die Versorgungssicherheit und just zum rechten Zeitpunkt die Unabhängigkeit, namentlich von der Energie Russlands. Auch die Sozialdemokraten Schwedens, die in der Vergangenheit Kernreaktoren stillgelegt haben, vollziehen einen Kurswechsel. Sie haben verstanden, dass die heute noch laufenden Kernkraftwerke des Landes, die 30 Prozent zur Stromversorgung beitragen, nicht durch eine andere Technologie ersetzt werden können. Aus Frankreich bezieht die Schweiz regelmässig grosse Mengen an (Atom-)Strom. Präsident Macron plant bis 2050 den Bau von gleich sechs neuen Kernkraftwerken. Und in den USA pumpt die Biden-Administration über den Inflation Reduction Act Milliarden in den Erhalt und die Weiterentwicklung der Kernenergie. Nur in Deutschland hat die grüne Ideologie dazu geführt, dass neuste Kernanlagen stillgelegt wurden, obwohl die Energieversorgungssicherheit auf der Kippe steht und die Klimaziele unerreichbar sind.
In der Schweiz tun wir gut daran, beide Wege zu einer CO2-freien Stromversorgung zu beschreiten: sowohl den erneuerbaren als auch den nuklearen. Am Wochenende entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Zukunft der erneuerbaren Stromproduktion in unserem Land. Avenergy Suisse unterstützt das Stromgesetz, mit dem der Ausbau der Solar- und Windenergie und der Speicherseen gefördert werden soll. Wie die Finnen sollten auch wir in der Schweiz die Autarkie der Energieversorgung im Auge behalten. Das Stromgesetz bietet dafür eine gewisse Gewähr. Trotzdem werden wir nicht umhinkommen, in Kürze das über der Kernenergie verhängte Tabu zu brechen und um einen politischen Konsens zu ringen. Auch die Kernenergie muss in unserem Land eine Zukunft haben, sollen dereinst die fossilen Energieträger ersetzt werden.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Oldtimer-Piloten und andere Fans des Verbrennungsmotors möchten auch in Zukunft bei den bewährten Antriebssystemen bleiben und trotzdem klimaschonend unterwegs zu sein. Sie erkundigen sich häufig danach, ab wann und wo synthetische Treibstoffe bezogen werden können, auch Synfuels oder E-Fuels genannt.
Auskünfte auf solch Anfragen sind nicht leicht. Fallen sie optimistisch aus, werden Hoffnungen geweckt, die sich vielleicht nicht sehr rasch erfüllen lassen. Bleibt man zu zurückhaltend, wird eventuell der Eindruck erhärtet, dass das Ende des Verbrennungsmotors zumindest auf der Strasse eben doch naht. Wo liegt das Problem?
Die Vorteile des Konzepts der Synfuels sind bestechend: sie lassen sich in beliebigen Mengen mit den konventionellen Treibstoffen mischen, was ihre Markteinführung berechenbar macht. Sie sind von vergleichbarer Qualität wie ihre fossilen Vorbilder. Im Markt müssen weder die Verbrauchergeräte – also der Automobilbestand - noch die Versorgungssysteme ersetzt werden. Im Vergleich zum Strom sind Energiemoleküle viel einfacher zu transportieren und zu lagern, was gut ist für die sichere und robuste Versorgung des Marktes.
Der Krux liegt allerdings bei der Herstellung der Synfuels. Damit ihre Verbrennung netto null CO2-Emissionen verursacht, muss zum einen der für die Synthese benötigte Strom selbst CO2-frei hergestellt werden. Zum andern muss die Kohlenstoff-Quelle vorgängig aus der Atmosphäre entnommen worden sein, sei es mit technischen Mitteln oder durch Pflanzen. Ohne weiter ins Detail zu gehen, wird klar, dass diese Herstellung technisch aufwändig und anfangs sehr teuer sein wird. Es braucht mutige unternehmerische Entscheide, um Milliardeninvestitionen auszulösen. Im gegenwärtigen Umfeld – geopolitische Krisen, fehlende politische Signale zugunsten der chemischen Energieträger – ist das Zögern der Investoren verständlich. Kurzum: bis ein flächendeckender Ersatz von Benzin und Diesel durch synthetische Treibstoffe möglich ist, braucht es noch viele und gemeinsame Anstrengungen der Industriestaaten.
Und doch sind Synfuels heute schon als Nischenprodukte erhältlich. Wo die nötige Zahlungsbereitschaft vorhanden ist, entstehen erste Lieferketten. Hier sind namentlich der Autorennsport und die Oldtimer-Gemeinschaft zu erwähnen. Diese Kreise zeigen, dass Synfuels funktionieren und der Verbrennungsmotor eine Zukunft hat. Sie geben auch im wahrsten Sinn des Wortes die Initialzündung für weitere Investitionen. Der Markthochlauf für synthetische Treibstoffe ist in Griffnähe, und damit auch eine absehbare Senkung der Produktionskosten dank Skaleneffekten. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es ein grosser Fehler, das Knowhow und die Infrastruktur der Mineralölbranche und den Verbrenner leichtfertig zur Disposition zu stellen.
Und drittens werden flüssige Energieträger für den Strassenverkehr noch lange Zeit dominant sein.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Regelmässig werden wir bei Avenergy Suisse gefragt, ob man an den Tankstellen den Rückgang der Treibstoffabsätze beobachten könne, der sich aus der zunehmenden Elektromobilität ergeben müsste. Eine Antwort darauf muss vage bleiben, da solche Zusammenhänge nicht einfach zu erfassen sind. Jedoch wird alljährlich der Treibstoffabsatz in unserem Land erfasst. Wie die jüngsten Erhebungen der Branche zeigen, ist dieser über die vergangenen Jahre gesehen ziemlich stabil geblieben. Nach dem Sonderfall während der Corona-Pandemie 2020/21 drückten im Jahr 2022 die politisch motivierten Preisreduktionen im nahen Ausland den Treibstoffabsatz in der Schweiz. Deshalb sind Marktbeobachter nicht überrascht, dass im Jahr 2023 wieder mehr Treibstoffe verkauft wurden als im Vorjahr. Die rund 6.1 Milliarden Liter liegen zwar einige Prozentpunkte unterhalb der Vor-Covid-Menge im Jahr 2019. Dies hat aber weniger mit der wachsenden Zahl der Elektromobile zu tun – die Zahl der Verbrenner hat sich in diesem Zeitraum nicht verändert – als wohl eher mit den effizienteren Motoren im nationalen Fahrzeugpark.
Das stets wachsende Mobilitätsbedürfnis von Bevölkerung und Wirtschaft führt dazu, dass die Nachfrage nach flüssigen Energieträgern relativ stabil ist, trotz des allmählichen Wandels bei der Antriebstechnologie und zunehmender Energieeffizienz der Motoren. Apropos flüssige Energieträger: Der Anteil des Biosprits am Gesamtabsatz hat im letzten Jahr einen erfreulichen Sprung nach oben getan und schliesst wieder zum Niveau der Vor-Corona-Zeit auf. Über 250 Millionen Liter Biosprit wurden verbraucht. Wie in den Jahren davor konnte so der Ausstoss von 600 000 Tonnen CO2 vermieden werden. Biotreibstoffe sind und bleiben die wirkungsvollste Einzelmassnahme zur CO2-Reduktion. Aber sie sind deutlich teurer als ihre fossilen Pendants und müssen daher weiterhin von der Mineralölsteuer befreit werden, um im Markt bestehen zu können.
Ein weiterer Wandel am Strassenrand ist unaufhaltbar, wie weitere jährlich erhobene Tankstellendaten von Avenergy Suisse zeigen. Vermehrt werden alternative Energien für das individuelle Fortkommen angeboten. Interessant sind zum Beispiel die Zahlen bei der Ladeinfrastruktur für E-Autos an Tankstellen. In der Erhebung 2022 betrug der Zuwachs an Elektro-Ladepunkten 50 Prozent. Und auch 2023 folgte ein Wachstum um 20 Prozent. Insgesamt steht damit an 163 Tankstellen mindestens eine Schnellladesäule. Und last but not least stieg die Zahl der Wasserstofftankstellen letztes Jahr von 11 auf 15. Damit ist die Betankung mit diesem klimaschonenden Energieträger flächendeckend von Genf bis St. Gallen und von Basel bis ins Bündnerland möglich.
Diese Zahlen verdeutlichen drei Punkte: Erstens gibt es eine zunehmende Vielfalt an Technologien, die alle darauf abzielen, den CO2-Ausstoss des Strassenverkehrs zu reduzieren. Zweitens erfüllt der Markt das Bedürfnis nach alternativen Energien, wo immer es vorhanden ist. Und drittens werden flüssige Energieträger für den Strassenverkehr noch lange Zeit dominant sein.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Ende Februar berichtete die Hauptausgabe der ARD-«Tagesschau» über die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland. Teil des Berichts: die Meldung, dass Kettensägen-Weltmarktführer Stihl seinen geplanten Ausbau der Produktion nicht in Deutschland, sondern in Wil SG in der Schweiz realisieren will – dabei war das Feld im deutschen Ludwigsburg bereits planiert! Aufsichtsratschef Nikolas Stihl sagte dazu im Interview: «Die Mitarbeiter in der Schweiz verdienen mehr Geld, aber die Gesamtkosten, die sich aus Abgaben, Steuern, Energiekosten und so weiter zusammensetzen, führen dazu, dass die Produktion in der Schweiz mittlerweile tatsächlich günstiger ist als in Deutschland.»
Stihl hat Recht mit seinen Aussagen. Das scheinbare Energiewendevorbild Deutschland hat mittlerweile durch Umlagen und Fördertopfabschöpfungen derart hohe Energiekosten und Steuerlasten, dass die produzierende Industrie aus dem Land flieht. Dass sie aber in ein Hochlohnland wie die Schweiz zieht, muss uns hellhörig machen! In einem vernichtenden Bericht las der Bundesrechnungshof vergangene Woche der deutschen Bundesregierung in Bezug auf deren Energiepolitik denn auch die Leviten. In den Planungen würden nur Best-Case-Szenarien verwendet, Annahmen zum Ausbau der Erneuerbaren seien wirklichkeitsfremd, Auswirkungen auf Natur und Landschaft würden nicht genügend quantifiziert, Systemkosten nicht in die Kosten der Erneuerbaren eingerechnet. Die sichere Versorgung sei gefährdet, die Energiewende drohe zu scheitern. Viele Aussagen im Bericht des Rechnungshofs liessen sich durchaus auf die aktuelle Schweizer Energiepolitik übertragen. Noch sind wir dank der grossen Stauseeprojekte unserer visionären Grossväter nach dem Zweiten Weltkrieg auf Rosen gebettet, was die Stromversorgung betrifft. Dieser Luxus wird aber nicht ewig währen.
Die Flucht der Firma Stihl aus Deutschland in die Schweiz zeigt exemplarisch, dass es noch möglich ist, als Hochlohnland auch für die produzierende Industrie attraktiv zu sein. Nicht jedes Unternehmen will aus Europa wegziehen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Industrie eine andere Wahl bleibt als der asiatische Kontinent als Produktionsstandort. Dafür aber müssen Standortfaktoren wie Energiepreise, Staatsquote, Abgaben- und Steuerlast stimmen und Kompromisse zu den ambitionierten, klimapolitischen Zielen Mitteleuropas gefunden werden. Ist das der Fall, kann die Rechnung für Firmen aufgehen, die unser hohes Lohnniveau als Teil eines Gesamtdeals akzeptieren.
Wir tun also gut daran, Energiepolitik nicht nur an klima-, sondern auch an wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielen zu messen und auszurichten und dabei nicht nur vom Best Case auszugehen. Energie wird in Zukunft ein wichtiger Standortfaktor sein, und wir sollten dem Parlament bei energiepolitischen Entscheiden genau auf die Finger schauen. Eine Menge Arbeitsplätze und Löhne hängen daran, aber eben auch geostrategisch wichtige Produktionskapazitäten, um die wir noch froh sein werden in den konfliktreichen Jahrzehnten, die vor uns liegen.
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Im Januar hat der Bundesrat die Legislaturziele 2023 – 2027 bekanntgegeben. Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Gleichstellung der Geschlechter, Integrationsförderung, Erneuerung der Beziehungen zur EU, Klimaschutz … war da noch was? Ach ja, die Energieversorgung. Auf dem 25. und letzten Platz, quasi unter «ferner liefen», steht es: «Die Schweiz stellt die Sicherheit und Stabilität der Energieversorgung sicher und fördert den Ausbau der inländischen Produktion von erneuerbarer Energie». Der Bund listet dazu gerade mal fünf Massnahmen auf. Sie beziehen sich auf die Stromversorgung, das Gasversorgungsgesetz und die lange erwartete Wasserstoffstrategie, die auf diesen Herbst in Aussicht gestellt wird.
Ein genauerer Blick in die angestrebte Änderung des Stromversorgungsgesetzes zeigt, dass es unter anderem um neue Reservekraftwerke geht. Die, nota bene, mit fossilen Energien betrieben werden. Diese verklausulierte Form der Kommunikation ist bezeichnend für die Kultur des Denkverbotes und Duckmäusertums, die in der aktuellen Energiepolitik vorherrscht. Ehrlicher wäre: Noch auf Jahre hinaus wird Diesel nicht nur zum Heizen oder als Treibstoff genutzt, sondern er dient darüber hinaus auch als Absicherung der Stromerzeugung in Notlagen. Im ganzen Land stehen Notstromgruppen bereit, die bei angespannten Versorgungslagen abgerufen werden können. Sie alle laufen mit Heizöl. Dieses wegen der Versäumnisse der Politik notwendig gewordene Arrangement wird während der gesamten Legislatur Bestand haben.
Um den Weg bis 2050 zu meistern und das übergeordnete Ziel einer sicheren, bezahlbaren und klimaschonenden Energieversorgung zu erreichen, braucht es ein Umdenken: Die Politik muss anerkennen, dass Mineralöl auf absehbare Zeit eine wichtige Stütze unserer Energieversorgung bleibt. Sie muss aufhören, den verlässlichsten Energieträger der Schweiz kleinzureden. Es kann nicht sein, dass das Reservekraftwerk Birr als «Gaskraftwerk» bezeichnet wird, obwohl es im Bedarfsfall mit Heizöl betrieben wird. Und es kann nicht sein, dass die Energiestrategie des Bundes den wichtigsten Energieträger ignoriert und zur Abwicklung an die Klimapolitik delegiert.
Selbst wenn der Wind- und der Solar-Express Fahrt aufnehmen sollten – wonach es im Moment nicht aussieht – und die Elektromobilität nicht nur bei den Neuzulassungen, sondern auch auf der Strasse vielleicht an Bedeutung gewinnt, wird die Schweiz noch lange auf eine funktionierende Mineralölwirtschaft angewiesen sein. Die Aufgabe der Politik ist nicht nur, für übermorgen zu planen, sondern dafür zu sorgen, dass uns auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft der Most nicht ausgeht. Dazu braucht es mehr Realismus und mehr Mut.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Biotreibstoffe aus pflanzlichen Abfällen und Reststoffen sind eine höchst effiziente Massnahme, um den CO2-Ausstoss des Strassenverkehrs zu senken. Seit ihrer Einführung vor 10 Jahren konnten jährlich einige hunderttausend Tonnen CO2 vermieden werden, Tendenz steigend. Es handelt sich um die wirkungsvollste Einzelmassnahme in unserem Land zum Schutz des Klimas, und sie könnte weiter ausgebaut werden.
Es war daher nachvollziehbar, dass der Bundesrat mit dem Entwurf für das revidierte CO2-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030 dem Biotreibstoff einen festen Platz im Massnahmenkatalog einräumen wollte. Er sah vor, dass künftig ein fester Anteil der in den Markt überführten Treibstoffe erneuerbar sein soll. Diese sogenannte «Überführungspflicht» für biogene Treibstoffe würde den Treibstoffimporteuren obliegen, die daher auch bereits begonnen haben, sich mit der neuen Aufgabe auseinanderzusetzen. Aber zur grossen Überraschung der Branche hat der Nationalrat im Dezember die Überführungspflicht ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen. Über die Beweggründe kann man angesichts der gleichzeitig beschlossenen hohen CO2-Verminderungsziele im Inland nur rätseln.
Da mag es einerseits eine verständliche Überlegung gegeben haben: wieso soll für die nächsten fünf Jahre ein neues Instrument eingeführt werden, wenn das bisherige – die Kompensationspflicht – die Biotreibstoffe ausreichend gefördert hat? Diese rationale Betrachtung dürfte jedoch kaum ausschlaggebend gewesen sein. Aus dem Ratsprotokoll geht vielmehr hervor, dass die Überführungspflicht gestrichen wurde aus Angst vor den Kosten, die sie verursacht hätte. In diesem Punkt sind Parlament und Bundesbehörden gebrannte Kinder, nachdem das Vorgängergesetz vor bald drei Jahren an der Urne krachend gescheitert ist. Seither wird bei jeder Gelegenheit betont, dass der Klimaschutz dank der aktuellen Vorlage zum Nulltarif zu haben sein wird. Benzinpreise haben es an der Urne besonders schwer, so die Aussage von Energieminister Albert Rösti.
Eine weitere Gruppe im Nationalrat lehnte die Überführungspflicht wiederum ab, weil sie scheinbar der festen Überzeugung ist, dass der Strassenverkehr in Bälde vollkommen elektrifiziert sein wird und Biotreibstoffe für die Luftfahrt reserviert sein sollten. Die jüngst veröffentlichten Zahlen und Verlautbarungen der Automobilindustrie lassen allerdings wenig Spielraum für solche Träume. Die Zahl der Automobile mit Verbrennungsmotor ist seit Jahren konstant, flüssige Treibstoffe werden noch für Jahrzehnte auch im Strassenverkehr eingesetzt werden; es ist – oder wäre – nur vernünftig, diese allmählich durch klimaverträgliche Komponenten wie Biotreibstoffe zu ersetzen. Wir sind auf diesem Weg schon ein hübsches Stück vorangekommen. Nach dem Nationalratsentscheid stellt sich indes die Frage: Ja was denn nun?
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Editorials 2023
Ende November werden Zehntausende Interessensvertreter aller Couleur nach Dubai reisen, um an einer weiteren Ausgabe der UN-Klimakonferenz (COP28) teilzunehmen. Sie werden sich über die vielen Fragen beugen, die sich auf dem Weg zum 1.5-Grad-Ziel und zu netto null Emissionen ergeben. Schon wegen des Austragungsorts in einem Ölstaat werden Art und Zeitpunkt des Ausstiegs aus dem Öl und die Rolle der Erdölwirtschaft viel zu reden geben. Der erneut aufgeflammte Konflikt in Nahost trägt das Seine dazu bei, dass nebst dem Klimaschutz auch die Versorgungssicherheit auf der COP-Agenda stehen dürfte.
Der designierte Vorsitzende der COP28, Sultan Ahmed al-Dschaber, amtet auch als CEO der staatlichen Ölfirma der Vereinigten Arabischen Emirate Adnoc. Er rief im Vorfeld der Konferenz dazu auf, dass alle an den Tisch müssen, um die Energiewende voranzubringen, namentlich auch die Energiewirtschaft. Und die steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Total-Chef Patrick Pouyanne äusserte sich dahingehend, dass vor lauter Investitionen in die zukünftigen, klimaneutralen Energien die Versorgung im Hier und Jetzt nicht vergessen gehen dürfe. Einfach und klar drückt sich auch sein Kollege bei BP, Interims-CEO Murray Auchincloss, aus. Er wird mit den Worten zitiert: «What I know is that the world needs oil and gas today. – Was ich weiss, ist, dass die Welt heute Öl und Gas braucht.» Die Investition in die Förderung dieser Energieträger müsse daher weitergeführt und ihre Verwendung defossiliert werden. Damit wird auch eine Beurteilung der sogenannten CCS-Technologie fällig, mithilfe derer das bei der Verbrennung von Öl und Gas emittierte CO2 eingefangen und definitiv im Boden eingelagert werden soll.
Allmählich wächst also die Einsicht, dass das Herunterfahren der fossilen Energien nicht nur eine beispiellose technische Herausforderung an sich darstellt, sondern dass ein Schritt von solch epochalem Ausmass mit Rücksicht auf die sozioökonomische Realität der Menschen zu erfolgen hat. Dafür ist die scharfe Order «netto null bis 2050» kein geeignetes Instrument, sondern wirkt kontraproduktiv und ignorant. Denn global betrachtet ist der Durst nach Öl noch lange nicht gestillt, trotz Bemühungen in vielen Ländern, den Verbrauch dieses wichtigen Energieträgers zu reduzieren. Die Organisation der erdölexportierenden Staaten (Opec) rechnet unterdessen mit einem stärkeren Anstieg der täglichen Nachfrage als bisher angenommen: Bis zum Jahr 2045 werde sie mit 116 Millionen Fass (à 159 Liter) höher liegen als heute, so die Schätzung des Förderkartells.
Es ist klar, dass die längst fällige Überprüfung der Klimaziele und -massnahmen in Dubai nicht auf eitel Zuspruch stossen wird. Die kluge politische Frage lautet jedoch nicht, ob wir das Netto-null-Ziel im Jahr 2050 erreichen werden, sondern vielmehr, wie die Energieversorgung während der Energiewende sichergestellt werden kann.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Jahr für Jahr nimmt die Fahrleistung des motorisierten Individualverkehrs zu, und die Rohölpreise verharren auf hohem Niveau. Trotzdem braucht der durchschnittliche Schweizer Haushalt für den Kauf von Diesel und Benzin nicht tiefer in die Taschen zu greifen als vor 15 Jahren. Die Haushaltbudgeterhebung des Bundesamtes für Statistik zeigt, dass die Ausgaben für Benzin und Diesel betragsmässig annähernd stabil geblieben sind, ja tendenziell sogar sinken. Das ist zum grossen Teil auf den technologischen Fortschritt bei den Verbrennungsmotoren zurückzuführen. Schlechter sieht es übrigens bei den Auslagen für den ÖV aus: Beispielsweise belasten Billette in regionalen und städtischen Verkehrsverbünden die Haushalte mehr als doppelt so stark wie damals.
Diese Erkenntnisse dürften für viele überraschend kommen, sind wir doch laufend mit den Spritpreisen konfrontiert, die als (zu) hoch wahrgenommen werden. Bei Avenergy Suisse vergeht kaum ein Tag ohne eine Medienanfrage nach dem Warum und Wie der Treibstoffpreisbildung. Die Antworten darauf sind vielleicht etwas monoton. Der Preis an den Zapfsäulen setzt sich zusammen aus a) dem Rohölpreis, b) den Transportkosten, c) den individuellen Betriebskosten der Tankstelle. Vielleicht spielt auch der Dollarkurs noch eine Rolle. Doch all dies greift zunehmend zu kurz. Häufig unerwähnt blieb nämlich ein weiterer Faktor, der nun an Bedeutung gewinnt: die Kosten für die Verarbeitung des Rohöls zu Treibstoffen.
Als im Gefolge des russischen Angriffs auf die Ukraine letztes Jahr die Energiepreise explodierten, multiplizierte sich dieser Effekt bei der Raffination. Nicht nur die Preise des Rohmaterials stiegen, sondern auch jene der Prozessenergie. Hinzu kam, dass nach dem Ende der Covid-Pandemie die Nachfrage nach Treibstoffen überall stieg, die Raffineriekapazitäten in Europa jedoch am Limit waren. Das wäre der Moment für Investitionen. Doch wer investiert in die Ölwirtschaft auf einem Kontinent, der sich dem Green Deal verschrieben hat und sich in knapp einem Vierteljahrhundert komplett vom Öl loszusagen gedenkt? Die Verknappung und drohende Vernachlässigung der Raffineriekapazitäten ist vorab eine Folge der europäischen Klimapolitik.
Unterdessen müssen – auch wegen der Sanktionen gegen Russland – neue Importwege für die Erdölprodukte etabliert werden, längere und oft kompliziertere. Die Schere zwischen Rohölnotierung und Treibstoffpreis dürfte sich somit weiter öffnen. Dem während langer Zeit vergessenen Faktor Verarbeitung wird beim Produktpreis künftig eine massgebende Rolle zufallen. Wenn in Zukunft die Spritkosten im Geldbeutel vermehrt zu spüren sind, liegt dies nicht nur an bulligen Rohölmärkten, sondern auch an den hausgemachten politischen Weichenstellungen, welche die Verarbeitung verteuern.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Versprechen von Politikern müssen infolge unruhiger Zeiten überdacht werden.
Die nächsten Ruder-Weltmeisterschaften finden zwar erst Anfang September in Belgrad statt, in der ersten Hälfte dieses Jahres haben sich aber schon mal Konzernchefs und Politiker der transatlantischen Welt fleissig in der politischen Disziplin des Zurückruderns geübt. Angesichts unruhiger Zeiten ist plötzlich anstelle vollmundiger Versprechen pragmatische Realpolitik gefragt, und da muss man das eine oder andere Boot schon mal neu in Position bringen.
Während Vattenfall in Grossbritannien die Planungen für seinen grössten Offshore-Windpark stoppte, weil die britische Regierung nicht bereit war, dem Unternehmen eine Carte-Blanche-Verlustgarantie zu geben, kündigte Premier Rishi Sunak an, seine Regierung werde in den kommenden Monaten über 100 neue Förderlizenzen für Öl und Gas vor der britischen Küste vergeben. In Liechtenstein war der Protest gegen ein Öl- und Gasheizungsverbot so gross, das man die Pläne gleich wieder verwarf. Die europäischen neo-grünen Energieriesen wie Shell, BP oder Total wurden von den voll auf fossile Energien setzenden US-Konkurrenten wie Exxon an der Börse dermassen abgehängt, dass sie sich zu massiven Kurskorrekturen gezwungen sahen und nun auch wieder entschieden in die fossile Förderung investieren. Selbst die deutschen Autobauer trauen sich aus der Deckung, angeführt von BMW-Chef Oliver Zipse, der für seinen Konzern kein Ausstiegsdatum aus dem Verbrennungsmotor setzen und weiterhin Modellreihen mit Verbrennern entwickeln will.
Man könnte die Liste beliebig lange fortsetzen, aber in Politik, Medien und Gesellschaft setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass es Zeit wird, aus den Wunderland-Träumen der 2010er-Jahre zu erwachen. Oder wie es Total-Energies-Chef Patrick Pouyanné ganz passend ausdrückte: «It’s not a question of religion, it’s a question to face the reality.»
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Vorletzte Woche hat Socar Switzerland auf der Autobahnraststätte Grauholz bei Bern die erste Wasserstofftankstelle des Nationalstrassennetzes eröffnet. Weniger als einen Monat zuvor weihte Avia Distribution eine H2-Tankanlage im waadtländischen Puidoux ein. Ohne staatliche Fördermittel hat die Mineralölbranche damit in knapp fünf Jahren 15 Wasserstofftankstellen realisiert, vier weitere sollen noch in diesem Jahr folgen. Die Schweiz verfügt nun im Verhältnis zur Fläche des Landes über die dichteste Abdeckung Europas. Zumindest nördlich der Alpen ist damit die Versorgung der wachsenden Zahl der Brennstoffzellen-Fahrzeugen gewährleistet, wohlgemerkt mit grünem Wasserstoff. Denn auch die Herstellung dieses Energieträgers mithilfe von erneuerbarem Strom nimmt nun Fahrt auf, nachdem es wegen der Coronapandemie und dem Krieg in der Ukraine zwischenzeitlich zu Verzögerungen kam. Aktuell kann in der Schweiz mit dem Strom zweier Wasserkraftwerke genügend grünes Gas produziert werden, um die bestehende Fahrzeugflotte mobil zu halten. Es herrscht also eitel Sonnenschein in der Wasserstoff-Welt, so könnte man meinen.
Wäre da nicht die Politik. Einerseits wird der Ruf nach einer Strategie des Bundes immer lauter. Im Lichte der bisherigen Erfolgsgeschichte der Tankstellenbetreiber und ihrer Partner mag dies auf den ersten Blick verwundern. In der Tat werden hiesige Akteure und die, die es werden möchten, beim Blick auf die Entwicklungen im Ausland allmählich etwas nervös. So will etwa die EU-Kommission ab diesem Herbst die Preise für grünen Wasserstoff senken, indem sie die Produktion subventioniert. Die Mitgliedstaaten werden den Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur mit Beiträgen in Milliardenhöhe fördern. Europa schickt sich an, ein Pipeline-System aufzubauen, das dereinst grosse Mengen des Gases von den Produktionsstandorten im Norden und Süden zu den Industriezentren leiten wird. Dazu braucht es aus der Sicht unserer Nachbarn nicht zwingend eine Passage durch die Schweiz. Die Sorgen hierzulande, dass der Wasserstoff-Aufbau ohne uns stattfinden könnte, sind nachvollziehbar. Im Interesse des fairen Wettbewerbs und der Versorgungssicherheit ist auch bei uns das Erwachen der Politik und Behörden wichtig, je früher, desto besser.
Andrerseits – und das scheint die absurde Kehrseite einer umtriebigen Politik zu sein – riskiert die EU gerade, dem Hoffnungsträger Wasserstoff die Luft abzudrehen, noch bevor die Möglichkeiten dieser Technologie in ihrem ganzen Umfang ausgetestet werden konnten. Die bürokratischen Vorgaben Brüssels für die Produktion von grünem Wasserstoff und den daraus in Zukunft hergestellten synthetischen Energieträgern gehorchen der Ideologie statt der technischen Realität. Gemäss den jüngsten Direktiven muss die Herstellung des erneuerbaren Stroms in Zukunft sowohl zeitlich wie geografisch an die Wasserstoffproduktion gekoppelt werden. Das wäre, als ob ein Elektromobil ausschliesslich dann geladen werden dürfte, wenn über ihm gerade die Sonne scheint oder der Wind weht. Ob mit solchen Spitzfindigkeiten die für den Hochlauf der Technologie dringend benötigten Investitionen ausgelöst werden, wird sich zeigen. Es wäre schade, wenn wegen der überrissenen Regulierungsdichte in Europa das Totenglöcklein für den grünen Wasserstoff erklänge.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Heute darf und muss ich beim Kauf eines Neuwagens selbst entscheiden, ob allenfalls ein Elektrofahrzeug meinen Bedürfnissen entspräche. Kann ich es aufladen und damit meine Routen zurücklegen? Kann und will ich es bezahlen, amortisieren, weiterverkaufen? Gefallen mir die Modelle? In bloss 11 Jahren müssen sich Autofahrerinnen und Autofahrer in der EU nicht mehr mit solch lästigen Fragen herumschlagen. Dann masst sich Väterchen Staat an, den Entscheid für jede und jeden von ihnen gleich selbst zu fällen. Auch in der Schweiz sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass wir uns dieser schönen neuen Welt entziehen werden. Aber machen wir uns nichts vor: weder wird es 2035 europaweit eine flächendeckende Infrastruktur geben mit Ladestationen, aus denen klimaneutraler Strom fliesst, noch werden genug bezahlbare synthetische Treibstoffe auf dem Markt sein, um normalen Leuten Zugang zu einem Neuwagen mit Verbrennungsmotor zu gestatten. Man darf gespannt sein, mit welchen juristischen Kniffen und rhetorischen Pirouetten die Entscheider-Kaste in Brüssel dann Realpolitik betreiben will.
Schauen wir uns einmal die aktuelle Statistik der Inverkehrsetzung von Neuwagen in der EU an: Im letzten Jahr betrug der Anteil der Fahrzeuge ohne Tank, also der BEV, gemäss dem europäischen Automobilherstellerverband ACEA 10 Prozent. Die restlichen 90 Prozent waren Fahrzeuge mit Tank, also Hybride und mehrheitlich reine Verbrenner. Kaum überraschen dürfte, dass es innerhalb der EU bei den Neuzulassungen der reinen Stromer eine grosse Streubreite gibt: im Süden und Osten liegt deren Anteil im Durchschnitt bei etwas über 3 Prozent. Demgegenüber glänzen Schweden mit 20, die Niederlande mit 17, Dänemark mit 15 oder Österreich und Deutschland mit 13 Prozent.
Ausserhalb der EU ist das Beispiel der Ölnation Norwegen besonders illustrativ: Zwischen 2015 und 2020 stieg der Anteil der BEV an den neu eingelösten Fahrzeugen markant von 16 Prozent auf über die Hälfte. Nachdem die Regierung Norwegens die bis dahin üppigen Privilegien für Elektrofahrzeuge einzuschränken begann, schrumpfte deren Anteil auf immerhin noch 42 Prozent. Merke: ohne staatliche Förderung kommt die Elektromobilität bei der Bevölkerung nicht besonders gut an. Neuzulassungen von BEV korrelieren in Europa stark mit dem Volkseinkommen, wie eine im April von der ACEA veröffentlichte Erhebung zeigt. Leisten können sich die Elektromobilität tatsächlich nicht alle.
Und die Schweiz? Im Durchschnitt der letzten Jahre lag hier der Anteil der Fahrzeuge ohne Tank bei den Inverkehrsetzungen bei 18 Prozent, dabei stagniert er seit Mitte 2021. Im PW-Bestand machen die BEV derzeit laut Bundesamt für Statistik rund 2.5 Prozent aus. Es dürfte nicht überraschen, dass beispielsweise in der Zuger Gemeinde Risch mit 7.5 Prozent mehr Elektrofahrzeuge immatrikuliert sind als etwa im bündnerischen Safiental, wo auf 250 Personenwagen ein BEV entfällt (0.41 Prozent). In der wohlhabenden Schweiz dürfte dieser Unterschied nicht unbedingt mit der Kaufkraft der jeweiligen Bevölkerung zusammenhängen, sondern mit der persönlichen Einschätzung, ob das Elektromobil jenseits des Modetrends alltagstauglich ist. Ob der Staat dies dereinst besser beurteilen kann?
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
«Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht so weit.» So tönt es jeweils im TV zu Beginn der Abendsendung für Kinder. Mit einer ähnlichen Begründung hat das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) von Bundesrätin Viola Amherd Mitte März im Nationalrat einen Vorstoss von Nationalrat Bastien Girod (Grüne) zur Ablehnung gebracht, der die Armee aufgefordert hätte, eine Syntheseanlage für die Produktion von klimaneutralem Methanol als Treibstoff zu bauen. Erneuerbares Methanol sei nur eine von vielen Möglichkeiten. Noch könne man nicht sagen, wie gross das Einsatzpotenzial von Methanol als Treibstoff für Fahrzeuge und Flugzeuge wirklich sei, liess sich die Bundesrätin im Rat vernehmen. Eine merkwürdige Argumentation, wenn im gleichen Atemzug das neue Klimagesetz und das CO2-Gesetz debattiert werden, bei denen man offensichtlich in Bundesbern der Meinung ist, sehr genau zu wissen, wie die Zukunft aussieht und welche Technologien nun förderungswürdig seien und welche nicht.
Gesetzgeber und Regierung scheinen keine Probleme mit Verboten, Vorschriften, Beimischquoten und nebulösen Fördertöpfen zu haben. Wenn es aber darum geht, für einmal ein visionäres Projekt zu realisieren, welches einen realen Impact hätte und der Schweizer Wirtschaft und Forschung die Möglichkeit böte, ihre Pionierrolle im Bereich neuer Energietechnologien weiter auszubauen, will man unter Hinweis auf die Technologieneutralität dann doch plötzlich lieber abwarten. Schade, es ist eine verpasste Chance für die Förderung erneuerbarer Treibstoffe.
Keine Chance lässt hingegen die deutsche Bundesregierung aus, wenn es darum geht, die eigene Automobilwirtschaft zugrunde zu richten. Im ebenfalls im März erschienenen weltweiten Länderranking der Patentanmeldungen belegte die Schweiz wieder einmal Platz eins mit den meisten angemeldeten Patenten pro Einwohner – dank der Pharmaindustrie. Während die meisten Länder Zuwachs bei neuen Patenten verzeichnen konnten, stürzte Deutschland mit fast fünf Prozent weniger angemeldeten Patenten im Jahr 2022 regelrecht ab. Hauptgrund sind fehlende Patente aus der Automobilindustrie, der elektrischen Geräteherstellung und der Feinchemie. Vielleicht sollte man sich im grossen Kanton doch nochmals überlegen, ob man dem Brüsseler Bürokratiemoloch so viel freie Hand lassen will, wie man es derzeit tut. Europa schafft sich mit der aktuellen Form von Wirtschaftspolitik sicher eine schlechte Ausgangslage für die Zukunft, wenn man bedenkt, dass sowohl aus den USA (+3%) wie auch aus China (+15%) mehr Patente als im Vorjahr angemeldet wurden.
Die Schweiz wiederum tut sicher gut daran, einen selbständigen Weg weiterzugehen und sich im Einzelfall gut zu überlegen, welche EU-Regelung man wirklich übernehmen will und von welcher man lieber die Finger lässt. Die neuen Emissionsregeln für Fahrzeuge lassen grüssen.
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Anlässlich seines ersten grossen öffentlichen Auftritts als Energieminister forderte Bundesrat Albert Rösti vor Vertretern der Strombranche den massiven Zubau von Produktionsanlagen für Energie. Und obwohl derzeit Staumauern und alpine Solaranlagen im Zentrum des Interesses stehen, gab er sich technologieoffen hinsichtlich der Produktionsmethoden. An Ölkraftwerke dürfte er dabei wohl kaum gedacht haben. Und doch ist es ein Fakt, dass wir mangels gleichwertiger Alternativen auf Erdöl zurückgreifen. Wenn es hart auf hart kommt, wird die Schweiz ihre Stromversorgung in den kommenden Wintern mit Dieselgeneratoren zu sichern wissen.
Die Analogie zu früheren Phasen des Erdölzeitalters ist frappant. Nach dem Zweiten Weltkrieg hinkte die Stromproduktion dem wirtschaftlichen Aufschwung hinterher. Die Gesellschaft zerstritt sich ob der Frage, ob Gas-, Öl- oder Kernkraftwerke die Lösung bringen sollten, wodurch wertvolle Zeit verloren ging.
Mit der Entwicklung mithalten konnte nur Erdöl. Dank robuster Versorgungswege war es rasch, in zunehmenden Mengen und zu vergleichsweise günstigen Konditionen verfügbar. Der Verbrauch stieg damals geradezu kometenhaft an und trug damit massgeblich zur Versorgungssicherheit des Landes bei.
Zurück in die Zukunft: Ohne zusätzliche und zuverlässige Elektrizität bleibt die angepeilte Energietransition bis Mitte dieses Jahrhunderts eine Illusion. Dies ist zwar keine neue Erkenntnis, aber wohl der einzige gemeinsame Nenner unter den diversen Akteuren im Energiebereich. Es ist nicht zu erwarten, dass die Auseinandersetzungen zwischen den vielen Interessenvertretern bald beigelegt werden, geschweige denn alle technischen Hürden beseitigt sind. Linke Kreise pflegen gerne das Bild, die Mineralölbranche torpediere den Ausbau der erneuerbaren Stromkapazitäten. Das ist absurd, denn viel lieber, als Öl zu Strom zu machen, würde diese Branche Strom in Öl verwandeln. Sie ist Teil der Lösung und nicht des Problems.
Genauso wie wir in Zukunft mehr Strom brauchen, so sehr werden wir weiterhin auf flüssige Energieträger angewiesen sein. Deren Eigenschaften bezüglich Energiedichte, Lager und Transportfähigkeit werden von keinem anderen Energieträger erreicht. Die flüssigen Energieträger werden daher ihre zentrale Rolle für die Versorgungssicherheit sowie in vielen weiteren Anwendungsbereichen auch in Zukunft behalten. Da wir vom Erdöl wegkommen wollen, auf flüssige Energieträger gleicher Qualität aber nicht verzichten können, werden Letztere unter Zuhilfenahme von Biomasse, Sonnenenergie oder Elektrizität hergestellt werden müssen. Wer heute im Erdölgeschäft tätig ist und sein Unternehmen über die Mitte des Jahrhunderts hinaus betreiben will, wird sich also der Forderung unseres Energieministers anschliessen: Wir brauchen rasch mehr Strom – zuverlässigen, bezahlbaren, mit CO2-armen Produktionsmethoden hergestellten Strom.
Bundesrat Rösti sprach von einem langen, steilen Weg, der vor uns liege. Um den zu schaffen, sind wir bis auf Weiteres auf Erdöl als treibende Kraft und zuverlässige Stütze angewiesen.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Editorials 2022
Die Energieversorgung gerät aus den Fugen, wenn die Politik, wie in den letzten Jahren, zu einseitig agiert. Die Auswirkungen spüren wir gerade schmerzlich.
Spricht man mit Branchenvertretern und Energieexperten über die schweizerische Energieversorgung, so kommt rasch das Bild des «Energie-Trilemmas» auf. Hinter diesem etwas kryptischen Begriff verbirgt sich der Gedanke, dass in einer erfolgreichen Energiepolitik folgende drei Aspekte im Gleichgewicht stehen müssen: erstens die Versorgungssicherheit – steht immer ausreichend Energie zur Verfügung? Zweitens die Wirtschaftlichkeit – ist die Energie für Wirtschaft und Gesellschaft erschwinglich? Und drittens die ökologische Nachhaltigkeit – welche Auswirkungen hat die Energieversorgung auf die Umwelt und das Klima? Wird einer dieser drei Aspekte überbetont – etwa durch ein zu offensives Eingreifen der Politik – gerät die Energieversorgung aus den Fugen.
Genau das ist in den letzten Jahren aber geschehen: seit langem dreht sich in der schweizerischen Energiepolitik alles nur noch um die Frage, wie klima- und umweltverträglich unsere Energieversorgung zu sein hat. Öl, Gas und Atomkraft haben unter diesem Gesichtspunkt bekanntlich schlechte Karten und stehen entsprechend unter Druck: Die Atomenergie wurde mit dem Ja der Bevölkerung zur Energiestrategie 2050 faktisch zu Grabe getragen und der Ausstieg aus den fossilen Energien soll ebenfalls in wenigen Jahrzehnten Realität werden. Die entstehende Lücke soll voll und ganz durch erneuerbare Energieträger wie Photovoltaik, Windenergie, Biogas und Wasserkraft gefüllt werden. Eine Strategie, die ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt des Klima- und Umweltschutzes aufgegleist wurde. Sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Verfügbarkeit wurden sträflich vernachlässigt.
Man könnte verharmlosend auch von einer «Schönwetterstrategie» sprechen: Solange die weltweiten Versorgungsketten ungehindert liefen, ausreichend Strom importiert werden konnte und die in die Jahre gekommenen Atomkraftwerke dies- und jenseits der Grenze weiterbetrieben wurden, blieben die offensichtlichen Schwächen der Energiestrategie 2050 unter dem Deckel. Nun aber, da infolge der weltweiten Versorgungskrise, der Rezession und des Ukrainekriegs die Märkte verrücktspielen und alte Gewissheiten plötzlich nichts mehr gelten, fällt das Kartenhaus in sich zusammen. Nun gilt es, den Fokus weg von der Nachhaltigkeit zu nehmen und die anderen beiden Ecken des Energie-Dreiecks zu stärken. Haben wir ausreichend verfügbare, günstige und rasch lieferbare Energie? Möchte man diese Frage mit ja beantworten, kommt man um den Energieträger Erdöl nicht herum. Einzig bei Diesel, Benzin und Heizöl besteht derzeit nämlich keinerlei Mangellage; wer ein Auto mit Verbrennungsmotor fährt oder mit Öl heizt, hat diesen Winter nicht nur nichts zu befürchten, sondern spart auch ganz automatisch Strom und trägt damit zur Stärkung unserer Energieversorgung bei. Manchmal ist die Realität eben komplexer, als es sich gewisse Kreise wünschen. Und manchmal braucht es zuerst eine Krise, um offensichtliche Zusammenhänge wieder klar und nüchtern erkennen zu können.
Ueli Bamert, Leiter Politik, Avenergy Suisse
Ein Nachbar lagert Benzinfässer als Notvorrat im Hauseingang. Das ist keine so gute Idee.
Auf dem Weg vom Carport zu meiner Wohnung wurde ich neulich von meinem Nachbar abgefangen. Der Herr Nachbar ist ein netter Kerl, Typ Outlaw: Ende 30, Tattoos, getunte Harley-Davidson, einer, der anpackt im Leben. Ebenjener Nachbar begrüsste mich mit den Worten: «Du kennst dich doch aus mit Treibstoffen und so was?» – «Ja, tue ich.» Ein bisschen zumindest.
«Er wolle für den Winter vorsorgen, meinte er. Er wolle nicht plötzlich ohne Benzin für sein Auto dasitzen, wenn der Strom ausfallen sollte, erklärte er mir. Nun, wer will das schon. Deshalb habe er von einem Kollegen zwei Fässer für Benzin besorgt. – «Bitte was?» Ja, er habe schon zwei Fässer, jetzt müsse er wissen, wie lange Benzin denn haltbar sei, und ob es ein Problem sei, wenn er die unten bei ihm im Eingang stehen lasse. – «Du meinst das ernst?» Meiner Gegenfrage und meinem besorgtem Blick war wohl für ihn zu entnehmen, dass ich dies für einen gewagten Plan hielt. «Keine gute Idee?», wollte er darob wissen. – «300 Liter Benzin im Hauseingang? Nein, nicht wirklich ...»
Sie mögen ob dieser wahren Geschichte schmunzeln. Sie hat aber doch einen ernsten Hintergrund. Denn welches Ausmass muss Staatsversagen annehmen, dass an der Speerspitze der ersten Welt, in der Schweiz, normale Bürger wie mein geschätzter Herr Nachbar das Gefühl haben, sie müssten Benzin für den Winter bunkern, weil an der Tankstelle vielleicht der Strom ausfällt? Und das ist, seien wir ehrlich, nicht einmal gänzlich unrealistisch.
Liebe Lesende, bitte bunkern Sie nicht privat Benzin, Sie handeln sich nur Ärger mit den Behörden ein. Wir tun alles dafür, Sie auch in Krisenzeiten zu versorgen. Aber wenn die nächsten Abstimmungen zu den Themen Energie, Umwelt und Klima anstehen, tun Sie mir einen Gefallen: Lesen Sie das Abstimmungsbüchlein mit der kritischen Brille der Versorgungssicherheit.
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Die von vielen als Zeiten – wende empfundene Periode zeigt uns: Wir sind auf Erdöl angewiesen.
Wer heute den Kauf eines neuen Autos ins Auge fasst, steht vor einigen herausfordernden Entscheidungen. Werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren tatsächlich in wenigen Jahren nicht mehr auf den Markt kommen, und was bedeutet es, dann ein solches Modell zu besitzen? Wird man damit in Zukunft noch überall hinfahren dürfen? Und vor allem: Wo zielen die Energiepreise hin? Bis vor Kurzem waren es diese Fragen, die viele zur Anschaffung eines Elektroautos bewogen haben. Nun aber sind es gerade diese Kreise, die darum bangen, dass der Strom für die Mobilität gekappt werden könnte, wenn es zur befürchteten Mangellage kommt. Auch sie haben keine Garantie mehr, dass die Antriebsenergie in Zukunft immer verfügbar und günstig sein wird, und die Besteuerung der Elektromobile steht ebenfalls im Raum. Also vielleicht doch wieder ein Verbrenner?
«Mein Beitrag zum Stromsparen ist mein Benziner.» Neulich fiel diese Bemerkung bei einer spontanen Publikumsbefragung am Radio. Die Aussage mag provozieren, doch trägt sie im Kern ein Stück Wahrheit. Alles, was nicht auf Strom oder Gas angewiesen ist, trägt im kommenden Winter zur Energieversorgungssicherheit bei, und womöglich noch weit darüber hinaus. Neuerdings weisen die Automobilimporteure darauf hin, dass ja «bloss» 70‘000 Elektromobile unterwegs seien und diese nur 0.4 Prozent des Stroms verbrauchen. Hört man da eine gewisse Erleichterung heraus, noch nicht weiter gekommen zu sein mit dem Anteil der Stromer? Jetzt, wo der Strom möglicherweise in Ölkraftwerken hergestellt werden muss?
Die energiepolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahre tragen nun ziemlich bittere Früchte. Die einen schauen wie der deutsche Wirtschaftsminister Habeck mit bangem Blick ’gen Himmel und beten für einen nicht allzu kalten Winter. Man habe dann eine gewisse Chance, gut über die Runden zu kommen, sofern man jetzt schon den Gaskonsum reduziere, so das Narrativ. Das eidgenössische Parlament verfällt in Hyperaktivität und plant den Ausbau der Erneuerbaren auf Kosten des Natur- und Landschaftsschutzes, was für die nächsten paar Winter nutzlos und verfassungsrechtlich umstritten ist. Darüber hinaus gibt es genügend Stimmen, die vor einem Engpass bei der Versorgung mit den für die Photovoltaik essenziellen Metallen warnen, vom Mangel an Fachpersonal für den Aufbau und Unterhalt der gigantischen Anlagen ganz zu schweigen. Angesichts dieser Hektik wirkt das stille Schaffen der Mineralölbranche geradezu entspannt. Ja, die Energiepreise steigen auch hier, und ja, die Versorgung war auch schon einfacher zu bewältigen als in diesem Jahr, aber eine fundamentale Störung des Erdölmarktes gibt es nicht.
Die aktuelle, von vielen als «Zeitenwende» empfundene Periode zeigt uns: wir sind auf das ach so verpönte Erdöl angewiesen, gerade in Zeiten des Umbruchs und der politischen Krisen. Das ist eine nüchterne Feststellung, Schadenfreude wäre da fehl am Platz. Die Energietransition muss stattfinden, keine Frage. Aber noch sind wir nicht bereit, das Ölzeitalter abzuschreiben.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Neben der Hiobsbotschaft zur erwarteten Mangellage bei Gas und Strom ging Ende Juni eine richtungsweisende Ankündigung des Bundesrats beinahe unter: Er will E-Autos ab 2030 mit einer kilometerabhängigen Abgabe zur Kasse bitten und reagiert damit auf die sinkenden Mineralölsteuererträge. Prognosen gehen davon aus, dass der Nationalstrassenfonds bis 2030 mehr oder weniger leer sein wird. Um den Finanzbedarf für die Verkehrsinfrastruktur zu sichern, müssen das UVEK und das Finanzdepartement bis Ende 2023 dem Parlament ein Gesetzespaket vorlegen, mit dem eine Ersatzabgabe auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben eingeführt werden kann.
Es ist sehr erfreulich, dass mit diesem Projekt die bestehende Mineralölsteuer nicht angerührt werden soll. Für die Fahrzeuge, die ausschliesslich mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sind, soll das heutige System in Kraft bleiben; für sie sind keine zusätzlichen Abgaben vorgesehen. Andrerseits wird es Zeit, dass die Elektromobilität aus ihrem geschützten Raum entlassen wird und endlich Verantwortung für die von ihr verursachten Kosten übernimmt. Wie diese zu beziffern sind, dürfte wohl noch Gegenstand heftiger Diskussionen werden. Denn mit der Einführung der E-Mobilität sind bekanntlich enorme Investitionen in die Infrastruktur verbunden, von der Herstellung erneuerbarer Elektrizität bis zu deren zeitgerechten und flächendeckenden Verteilung an jeden Autoparkplatz. Noch ist unklar, wer schlussendlich für diesen Aufwand aufkommt, der zusätzlich zum heutigen Finanzbedarf der Strassenkasse anfallen wird.
Vorerst löst das Projekt vor allem in bürgerlichen Kreisen Stirnrunzeln aus wegen des gemütlichen Fahrplans, den sich der Bund für die Einführung der Abgabe vornimmt. Es befremdet in der Tat, dass nochmals über sieben Jahre verstreichen sollen, bevor sie in Kraft treten kann. Das UVEK prognostiziert und verlangt eine rasche Zunahme der Elektromobilität. Obwohl sie den Kinderschuhen längst entsprungen ist, wird sie mit zahlreichen Instrumenten noch immer gefördert. Ihre Besteuerung ist nicht nur ein Gebot im Interesse der Strassenkasse, sondern eine Frage der Fairness und der sozialen Gerechtigkeit. Irgendwie ist es schon skurril, wenn zum Beispiel im Kanton Basel-Stadt diesen Herbst über die linke «Klimagerechtigkeitsinitiative» abgestimmt wird, die per 2030 das Netto-Null-Ziel und damit den Verzicht auf Verbrennungsmotoren fordert, sich der Bund aber frühestens ab dann Einnahmen aus der Elektromobilität sichern will.
Bleibt zu hoffen, dass die Verkehrskommissionen im nationalen Parlament dem Bundesrat noch etwas Beine machen. Die politischen Positionsbezüge lassen eine intensive Debatte erwarten: die Linke will den ÖV schonen, also Elektrobusse von der Abgabe ausnehmen, Grüne haben eh kein Interesse an der Strassenfinanzierung, und Bürgerliche befürchten die Einführung neuer Umweltabgaben durch die Hintertür. Ziemlich viel Stoff für Zoff. Schlussendlich gilt es, die Bevölkerung vom Systemwechsel zu überzeugen; sie wird an der Urne das letzte Wort haben.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Nein – die EU hat den Verbrennungsmotor nicht verboten. Dennoch ist der Vorschlag geprägt von Unwissenheit, Ignoranz und politischer Kurzsichtigkeit.
Verschiedenen Schweizer Medien war in den letzten Wochen zu entnehmen, die EU habe ein Verbot für Personenwagen mit Verbrennungsmotoren ab 2035 beschlossen. Das ist zunächst einmal eine Fehlinformation. Was das EU-Parlament getan hat ist, einem Vorschlag der EU-Kommission, der ein Verbot beinhaltet, zuzustimmen. Mit diesem Vorschlag von Kommission und Parlament geht es nun in den sogenannten Trilog. Hierzu muss man die Eigenheit des EU-Gesetzgebungsprozesses verstehen. Relativlange in diesem Prozess haben die Regierungen der Mitgliedsländer – der EU-Rat – nämlich kein Mitspracherecht. Erst am Ende des Verfahrens dürfen die Landesregierungen ihre Interessen einbringen und Gesetzesentwürfe verändern. Dies geschieht in eben jenem Trilog. Dieser Schritt steht nun an, und es ist zu erwarten, dass aus den Automobilnationen Deutschland, Tschechien, Ungarn und Polen grosse Widerstände gegen ein Verbrennerverbot kommenwerden. Selbst das schwedische Energieministerium hat sich kritisch geäussert, und die Schweden sind bekanntlich im Bereich E-Mobilität deutlich begeisterter am Werk als die Mitteleuropäer. Es ist also nicht davon auszugehen, dass der Vorschlag der Brüsseler Bürokratie so durchkommen wird.
Dennoch sollte allein die Existenz des Entwurfs zu denken geben. Die EU-Kommission auf der einen Seite offenbart ihre Bereitschaft, von Erfolgsmodellen wie Technologieoffenheit, Wirtschaftsfreiheit und Wettbewerb der Innovation abzukehren und stattdessen auf eine bürokratische Planwirtschaft zu setzen. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der EU gleichzeitig offenbaren, wie unwissend sie in Sachen Energie, Technologie und Innovation tatsächlich sind. Eine innovative – und vor allem europäische – Motorenindustrie wird in den kommenden 20 Jahrennicht nur für schwere zivile, sondern auch für militärische Anwendungen von entscheidender Bedeutung für unseren Kontinent sein. Ein Verbot im PW-Sektor würde dieser Industrie einen Teil ihrer Lebensgrundlage entziehen. Genau das gleiche gilt für die Entwicklung synthetischer Treibstoffe. Von den riesigen Verbrenner-Bestandesflotten, die es im PW-Bereich bis 2050 geben wird, einmal abgesehen: Wir wissen, dass viele Anwendungen auf Synfuels angewiesen sein werden. Aus rein ideologischen Gründen Märkte für diese Produkte klein zu halten und damit Investitionen unattraktiver zu machen, ist so ziemlich das Dümmste, was man sich vorstellen kann, wenn man erreichen will, dass wir irgendwann CO2-neutral fliegen, Kreuzfahrten machen oder auf der Baustelle die Grube ausheben.
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Unter den täglichen Hiobsbotschaften über den brutalen Krieg in der Ukraine ging Mitte April eine Meldung beinahe verloren, über die man sich eigentlich freuen sollte: Die CO2-Emissionen der Schweiz sinken stetig. Der Ausstoss pro Kopf der Bevölkerung ist schon seit jeher nur halb so hoch wie der Durchschnitt in der OECD. Besonders stolz zeigt sich der Industriesektor: Er hat seine Emissionen um mehr als 15 Prozent gesenkt und damit die sektoriellen Ziele erfüllt. Im gleichen Zeitraum hat sich das Schweizer Bruttoinlandprodukt fast verdreifacht.
Und trotzdem wird von offizieller Seite herumgemäkelt: Die Schweiz verfehle ihr Klimaziel 2020, denn statt 20 Prozent Reduktion seit 1990, wie es das geltende CO2-Gesetz vorschreibt, seien nur 19 erreicht worden. Der «Handlungsdruck bleibt unvermindert hoch», liest man zum Beispiel in einem Fachmagazin für erneuerbare Energien. Speziell abgemahnt wird – einmal mehr – der Verkehrssektor, wo die Treibhausgasemissionen auf dem Niveau von 1990 verharren. Wer sich die Mühe nimmt, die Statistik genau anzuschauen, erkennt jedoch hinter der vermeintlichen Verfehlung effektiv eine weitere Erfolgsgeschichte. Der Verband Strasseschweiz schätzt auf Basis der Daten des Bundes, dass die relativen Treibhausgasemissionen des privaten Strassenverkehrs seit 1990 um 30 Prozent zurückgegangen sind, wenn man die gestiegene Fahrleistung und die CO2-Kompensationspflicht einbezieht. Denn: zwischen 1990 und 2019 hat der private Personenverkehr um 25 Milliarden Personenkilometer zugelegt, zudem der Güterverkehr auf der Strasse um 5 Milliarden Tonnenkilometer. Dies ist mitunter die Folge des starken Bevölkerungswachstums von 6.7 auf 8.6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner im selben Zeitraum, sowie des erwähnten Wirtschaftswachstums und gestiegenen Wohlstands.
Die absoluten Reduktionsziele, die das CO2-Gesetz vorgibt, können nicht sakrosankt sein, wenn sie die Rahmenbedingungen wie Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum nicht berücksichtigen. Unter diesem Blickwinkel dürfen wir summa summarum festhalten, dass die Schweiz in Sachen Klimaschutz sehr gut unterwegs ist. Die Botschaft könnte mit Fug und Recht auch lauten: die Schweiz hat auch mit Wachstum ihr Klimaziel 2020 erreicht, mit einer kleinen Abweichung, die wohl im Bereich der statistischen Ungenauigkeit liegt. Eine hervorragende Leistung! Angesichts der dunklen Wolken am Wirtschaftshorizont, drohender Inflation und absehbarer Energieversorgungsengpässe wirkt es dagegen reichlich befremdend und kleinlich, mit dem Klima-Mahnfinger auf die Mobilität unserer Gesellschaft zu zeigen.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Nach allgemeiner Leseart waren es die Treibstoffpreise, die letzten Sommer dem CO2-Gesetz an der Urne das Genick gebrochen haben. Voraussichtlich hätte das Gesetz die staatlichen Abgaben auf den Liter Treibstoff um 12 bis 15 Rappen erhöht. Bei der Neuauflage des Gesetzes war das Departement von Bundesrätin Sommaruga denn auch bemüht, die Lehren aus dem Desaster zu ziehen. Man werde die Klimaziele auch ohne Raubzug auf die Portemonnaies der Bevölkerung erreichen, bekräftigte die Energieministerin bei der Vorstellung des neuen Entwurfs im Dezember. Statt Abgaben seien nun Anreize, statt Verbote Investitionen vorgesehen.
Nun, schön wär’s. Beim genauen Hinschauen entpuppt sich der neue Entwurf als Mogelpackung, die den Geldbeutel der Automobilisten genau gleich belasten wird wie die abgelehnte Vorlage. Schuld daran trägt eine neue Idee der Verwaltung: Biotreibstoffe statt zu fördern künftig für obligatorisch zu erklären. Blenden wir zurück: Seit 2008 werden erneuerbare, abfallbasierte Biotreibstoffe gefördert, indem sie von der Mineralölsteuer befreit sind. Die Steuerbefreiung allein konnte die Mehrkosten von erneuerbaren Treibstoffen jedoch nie ausgleichen. Daher werden sie zusätzlich über den CO2-Kompensationsmechanismus unterstützt, den sogenannten KliK-Beitrag. Diese Kombination an Fördermassnahmen macht Biotreibstoffe gegenüber fossilen Treibstoffen konkurrenzfähig und erlaubt zudem die flexible Anpassung an die Gegebenheiten des Marktes. In den letzten 10 Jahren hat Biosprit im Schweizer Markt ein erfreulich starkes, zeitweise exponentielles Wachstum erfahren. In jüngster Zeit konnten dank ihnen jedes Jahr rund 600’000 Tonnen CO2-Emissionen verhindert werden. Es gibt keinen Grund, von diesem erfolgreichen Pfad abzuweichen.
Doch statt durch Förderung sollen Biotreibstoffe in Zukunft also per Dekret in den Markt gezwungen werden – um jeden Preis. Aufgrund der allgemein hohen Nachfrage und der angespannten Versorgungslage ist für die kommenden Jahre mit tendenziell steigenden Beschaffungskosten für Biotreibstoffe zu rechnen. Sie sind rund doppelt so hoch wie für fossile Treibstoffe, selbst angesichts der derzeitigen Hochpreisphase des Erdöls. Eine Beimischung von 10% biogenem Anteil könnte also zu einer Erhöhung des Treibstoffpreises von 10 bis 12 Rappen pro Liter führen, da keine Fördermittel wie Steuererleichterung und KliK-Beiträge mehr zur Verfügung stünden. Dieser Aufschlag fällt zusätzlich zu den 5 Rappen pro Liter an, die auch im neuen Gesetz für die Kompensation der CO2-Emissionen vorgesehen sind.
Man braucht keinen Taschenrechner, um zu erkennen, dass hier mit Hilfe eines trojanischen Pferdes eine weitere Attacke auf den Verbrennungsmotor geritten werden soll. Wie alle klimaschonenden Energieträger sind auch Biotreibstoffe vorläufig auf Unterstützung angewiesen, um am Markt bestehen zu können. Das europäische Umfeld hat dies erkannt und plant Steuererleichterungen für Biosprit. Es ist zu hoffen, dass auch die Bundesverwaltung dies noch rechtzeitig erkennt und die Rechnung nicht ohne den Wirt macht.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Von Galileo Galilei ist die Geschichte überliefert, dass er – nachdem er vor einem Kirchentribunal seiner Erkenntnis, die Erde ist rund und dreht sich um die Sonne, abschwören musste – den Saal mit den Worten verlassen haben soll: «und sie dreht sich doch». Ähnlich verkannt muss sich so manche «bürgerliche» Stimme in den vergangenen 20 Jahren in Europa und der Schweiz vorgekommen sein, die vor einer politisch gewollten Deindustrialisierung, kurzsichtigen Energiepolitik und blauäugiger Aussen- und Rüstungspolitik gewarnt hat. Weggewischt wurden jegliche Bedenken als Politik von gestern. Und die Klimajugend marschiert ja seit je her nach dem Motto «Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns».
Seit Ende Februar steht nun die Kornkammer der Welt in Brand, überfallen von einem Imperialisten alter Schule. Energiepreise schiessen in die Höhe, Lebensmittelpreise werden folgen und die Flüchtlingsströme werden nicht abreissen. Wenn nicht dieser Krieg, was denn sonst – muss man fragen – soll einer von Frieden verwöhnten Post-Mauerfall-Generation klar machen, dass die Welt nicht nur aus Freunden besteht? Das Niveau an Wohlstand und Sicherheit, welches uns so selbstverständlich erscheint, ist dies eben nicht. Nur weil etwas heute ist, muss es morgen nicht sein.
Die aufgeklärte westliche Welt und mit ihr die Schweizer Gesellschaft muss sich klar machen, dass es ohne ein gewisses Mass an produzierender Industrie, fossiler Energie, eigener Landwirtschaft und vernünftiger Rüstungspolitik einfach keine sichere Zukunft in Wohlstand und Frieden geben kann. Nicht jedes Ziel, so hehr es auch sein mag, kann um jeden Preis verfolgt werden. Je früher wir uns das eingestehen, desto besser.
Während dieser Erkenntnisprozess bei manchen offenbar noch läuft, fordern politischen Stimmen als Alternative zu russischem Öl – von welchem es in der Schweiz übrigens kaum welches gibt – Solarzellen aus China. Herzlichen Glückwunsch. Selbst Franz Kafka hätte sich keine groteskere Geschichte ausdenken können.
Neben aller innenpolitischen Diskussionen gilt es nun vor allem, Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine zu zeigen und sie in unserem Land willkommen zu heissen. Denn obwohl vieles, was der ukrainische Präsident in den letzten Wochen medial gesagt hat, auch zur Propaganda eines Krieges gehören mag, stimmt eines auf jeden Fall: das ukrainische Volk verteidigt gerade die Werte der westlichen Demokratien und bezahlt dafür mit Menschenleben.
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Editorials 2021
Jahresende – Zeit des Rückblicks. Und der Wünsche.
Was bleibt von 2021 – ausser Corona? Vielleicht die Erinnerung an ein Jahr, in welchem die Energieversorgungssicherheit erstmals seit Langem wieder an den Stammtischen diskutiert wurde. Plötzlich geht das Gespenst der Knappheit um. Zehn Jahre nach dem überstürzten Beschluss der Landesregierung, künftig auf bewährte Energiequellen zu verzichten und es lieber mit dem Prinzip Hoffnung zu versuchen, mehren sich die Zeichen eines Scheiterns dieser Energiepolitik. Mitte Oktober forderte der Bundespräsident die Unternehmen auf, sich auf eine mögliche Stromknappheit vorzubereiten. In einer solchen Situation müssten Unternehmen und Fabriken den Betrieb herunterfahren. Auch Busse, Trams und Züge könnten nur noch eingeschränkt fahren. Bereits in den kommenden Jahren droht eine Strommangellage, in welcher der Bedarf der Schweiz während mehrerer Tage nicht mehr gedeckt werden kann. Zu diesem Schluss kommt eine externe Studie im Auftrag des Bundesamtes für Energie und der Eidgenössischen Elektrizitätskommission.
Ungemach droht längerfristig aber auch im Erdöl- und Erdgasmarkt. Viele der grossen Energiekonzerne hinterfragen unter dem Druck der Klimapolitik zunehmend ihre Investitionen in die Erkundung und Förderung neuer Erdölund Gasvorkommen. In Öl, Kohle und Gas zu investieren, ist verpönt, wird am Ende vielleicht gar kriminalisiert. Milliardenbeträge sollen in die grüne Energieproduktion umgeleitet werden. Was von den Klimaaktivisten bejubelt wird, treibt die Energiepreise langfristig in die Höhe und heizt die Inflation zusätzlich an. Die Preise an den Zapfsäulen haben diesen Herbst einen Vorgeschmack darauf gegeben, wohin die Reise führen könnte. In der wohlhabenden Schweiz hat dies bis anhin zwar noch keine besonders hohen Wellen geworfen. Anderswo sind die explodierenden Energiepreise aber das Topthema: Die Regierungschefs der EU-Staaten und US-Präsident Joe Biden setzten alle Hebel in Bewegung, um die Gas- und Treibstoffpreise in ihren Ländern wieder in den Griff zu bekommen. Offensichtlich stehen günstige Energiepreise, sozialer Friede und politische Macht in einem engen Verhältnis zueinander.
Zugegeben, dieser Text ist keine Ode an die Fröhlichkeit, wie es sich für die Adventszeit eigentlich geziemen würde. Wir stehen vor kolossalen Herausforderungen, die wir ernst nehmen müssen. Ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, zwei Wünsche für das kommende Jahr anzubringen. Erstens wünsche ich uns allen die Klugheit, am selben Strick zu ziehen und damit aufzuhören, nach Schuldigen zu suchen. Es gibt sie nicht, die böse Macht, die um jeden Preis das Klima killen will. Zweitens wünsche ich uns die Gelassenheit, mit dem scheinbaren Widerspruch zu leben, dass wir für die sichere Energietransition noch etliche Jahre auf die fossilen Energieträger angewiesen sein werden. Wir leben im Erdölzeitalter, und dieses lässt sich nicht einfach mit ein paar Federstrichen und etwas gutem Willen überwinden.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Stellen Sie sich vor, an der Zapfsäule stünde nicht der Preis von 175, sondern 98 Rappen pro Liter. Zu schön, um wahr zu sein, werden Sie denken. Und tatsächlich: die Kehrseite des günstigen Treibstoffs ist die Rechnung in Ihrem Briefkasten zur Bezahlung einer «Kilometerabgabe». Wenn es nach den Plänen des Bundes geht, könnte dieses Szenario in nicht allzu ferner Zukunft eintreten. Das Astra hat vom Bundesrat den Auftrag, Vorschläge für die künftige Finanzierung der Strasseninfrastruktur zu erarbeiten. Im Vordergrund steht dabei der Ersatz der Mineralölsteuer und des Mineralölsteuerzuschlags durch eine fahrleistungsabhängige Abgabe. So sollen alle Verkehrsteilnehmenden einen Beitrag an die Finanzierung der Strasseninfrastruktur leisten.
Von den rund 4.16 Milliarden Franken, die der Bund im Jahr 2020 über die Besteuerung des Treibstoffs eingenommen hat, fliessen etwa 3 Milliarden in Projekte im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr. In den nächsten Jahren gehen die Einnahmen weiter zurück, gleichzeitig steigt der Mittelbedarf für den Unterhalt und die Kapazitätserweiterung zur Beseitigung von Engpässen. Die Fondsreserven des NAF kommen bis zum Ende des Jahrzehnts der Null-Linie bedrohlich nahe. Es ist daher folgerichtig, dass sich das Astra frühzeitig überlegt, wie die Strassen zu finanzieren sind, wenn eines Tages deutlich mehr Fahrzeuge unterwegs sind, die ohne Diesel und Benzin auskommen. Auf Dauer ist es nicht akzeptabel, dass Besitzerinnen und Besitzer eines reinen Elektrofahrzeugs ausser den 40 Franken für die Vignette finanziell nichts zum Unterhalt der Strassen beitragen.
Neue Finanzierungsmodelle wecken neue Begehrlichkeiten und bergen die Gefahr, die eingenommenen Mittel auf allerlei Töpfe zu verteilen. Bedenklich sind die Bestrebungen, über eine zeitlich und räumlich gestaffelte Preisgestaltung die Verkehrsströme lenken zu wollen. Bekanntlich haben einige Städte bereits Pläne auf den Tisch, mit einem mittelalterlich anmutenden Wegzoll ihre Hoheitsgebiete vom motorisierten Individualverkehr zu befreien.
Die Finanzierungsvorlage des Bundes darf sich nicht an solchen Ideen des Road-Pricings orientieren. Eine fahrleistungsabhängige Abgabe für den Strassenverkehr stösst nur dann auf Akzeptanz, wenn der Bund schweizweit ein einheitliches und klar definiertes System etabliert. Dabei muss die Einnahmenneutralität gewährleistet sein: die Einnahmen sollten auf dem heutigen Niveau bleiben und für die Finanzierung der Strasseninfrastruktur verwendet werden. Soweit bekannt, weisen hier die Pläne des Astra in die richtige Richtung. Eine besondere Knacknuss dürfte noch beim Datenschutz liegen. Bereits heute wird bei jedem modernen Fahrzeug erfasst, wann es sich wo bewegt. Eine Diskussion über die Verwendung dieser Daten drängt sich unabhängig von der Finanzierungsfrage sowieso auf. Und schliesslich steht auch die Koordination mit den kantonalen Motorfahrzeugsteuern zur Debatte.
Zusammen mit den Automobil- und Strassenverbänden wird Avenergy Suisse die weiteren Schritte aufmerksam verfolgen und wo nötig den Finger auf Fehlentwicklungen legen.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Die Unternehmen der Mineralölbranche betreiben und beliefern in der Schweiz über 3300 Tankstellen. Für ihre strategischen Entscheide und den künftigen Geschäftserfolg sind sie auf ein möglichst genaues Bild der Trends im motorisierten Strassenverkehr angewiesen. Die wohl wichtigste Frage lautet: Welchen Antriebsarten und -energien gehört die Zukunft? Prognosen dazu erweisen sich als erstaunlich schwierig. Politik und Medien bieten keine grosse Hilfe. Deren Botschaften sind von Wunschdenken geprägt und oft faktenfern: Klimaschutz geht nur mit Elektromobilität, dem Verbrennungsmotor läutet bereits das Totenglöcklein.
Ein vertiefter Blick in die Fahrzeugstatistik des Bundesamts für Statistik ergibt ein differenzierteres Bild. In der Tat nimmt Monat für Monat der Anteil der Personenwagen mit alternativen Antrieben zu. In der ersten Hälfte dieses Jahres hatten rund 10 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge keinen Tank, waren also reine Stromer. Hinzu kommt ein Anteil von fast 30 Prozent Hybridfahrzeugen. Die reinen Verbrenner machen nicht mehr ganz zwei Drittel aus. Im Umkehrschluss heisst dies: Über 90 Prozent der heute neu in Verkehr gebrachten Fahrzeuge haben immer noch einen Tank, den es auch in den nächsten Jahren mit flüssigen Treibstoffen zu füllen gilt.
Das Bild erhält eine weitere interessante Note, wenn wir nicht die Personenwagen, sondern die Nutzfahrzeuge anschauen. Diesel ist und bleibt für diese Schwerarbeiter unverzichtbar, die Elektrofahrzeuge fristen in diesem Segment ein Schattendasein.
Die Alltagsrealität an der Zapfsäule wird jedoch nicht von den gerade neu in Verkehr gesetzten Fahrzeugen bestimmt, sondern von der Fahrleistung, die mit dem aktuellen Fahrzeugbestand erbracht wird. Auch darüber gibt die Statistik Aufschluss: In den letzten 10 Jahren nahm in der Schweiz der Bestand der Personenwagen mit einem Verbrennungsmotor von 4 auf rund 4.5 Millionen zu. Der private Personenverkehr wächst Jahr für Jahr um eine Milliarde Personenkilometer. Das eine Prozent der Elektromobile im Fahrzeugbestand spielt hinsichtlich der erbrachten Fahrleistung nur eine untergeordnete Rolle. Auch der Nutzfahrzeugbestand stieg in den vergangenen 10 Jahren um rund 200’000 Fahrzeuge an, wovon praktisch alle mit Dieselmotoren ausgestattet sind.
Die regelmässig kommunizierten und mit viel medialer Aufmerksamkeit bedachten Inverkehrssetzungszahlen sagen für sich betrachtet gar nichts über die Zukunft unserer Mobilität. Erst recht nicht, wenn der Fokus auf die relativen Anteile der Antriebsarten gerichtet wird und alle nicht konventionellen Antriebe unter «Alternativen» zusammengefasst werden. Fakt ist: Der Fahrzeugbestand ist geprägt durch Fahrzeuge mit Tank, und diese erbringen überdurchschnittliche Fahrleistungen. Das wird sich so rasch nicht ändern. Es ist nicht auszuschliessen, dass dem Verbrenner, dereinst mit synthetischen Treibstoffen betrieben, die Zukunft gehört.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Nach den Sommerferien gibt es an dieser Stelle einen Tipp für einen Ausflug zu einem Ziel in der Schweiz, das immer wieder einen Tagestripp wert ist. Es handelt sich um ein Museum, das mich schon seit frühester Kindheit begeistert hat, das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern, welches ich zuerst mit meinen Eltern und später mit der Schulklasse besuchte.
Schon früh faszinierte mich alles, was mit Mobilität zu tun hat. Damals waren es vor allem die Lokomotiven, das Flugzeug auf dem Ausstellungsgelände und nicht zuletzt die Ausstellung über die Weltraumfahrt mit der Gemini-Raumkapsel.
Später kamen die motorisierten Vehikel hinzu, die es mir angetan haben. Und heute ist es ein neuer Ausstellungsbereich unter dem Titel «Powerfuels». Die Dauerausstellung der Partner Avenergy Suisse, Empa und Hyundai widmet sich ganz den nachhaltigen Treibstoffen der Zukunft. Sie zeigt auf, wie in der Schweiz synthetische Treibstoffe (Synfuels) erforscht und entwickelt werden. Sie informiert über die Erfolge der Schweizer Tankstellenbetreiber bei der Reduktion des CO2-Ausstosses – ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, den die Branche durch die Beimischung von biogenen Treibstoffen zum herkömmlichen Benzin und Diesel Tag für Tag leistet.
Und die Ausstellung widmet sich in einem grösseren Bereich dem Thema Wasserstoffmobilität. Woher kommt der grüne und damit CO2-neutrale Wasserstoff in der Schweiz? Wie wird das entsprechende Tankstellennetz in unserem Land erstellt? Und wie funktioniert überhaupt ein Wasserstoff- bzw. eben Brennstoffzellenfahrzeug? Was auch immer man zum Thema wissen will, hier erfährt man es.
Hier können die jüngeren Besucherinnen und Besucher zudem in einem interaktiven Spiel selbst virtuell Wasserstoff herstellen. Zunächst wählen sie auf der interaktiven Wand ein Fahrzeug aus, dass es zu betanken gilt. Danach «spalten» sie die auf den Boden projizierten Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Dies geschieht, indem die Spielerinnen und Spieler mit ihren Füssen auf die virtuellen Moleküle treten. Zugegeben: Das Spiel ist recht anspruchsvoll, vor allem was den Körpereinsatz betrifft. Man kommt rasch ausser Atem. Es ist darum eher etwas für Kinder und Jugendliche – diese freuen sich aber umso mehr darüber, wie ich anlässlich der Eröffnung der Ausstellung beobachtet habe.
Die neue Themeninsel «Powerfuel» in der Halle Strassenverkehr des Verkehrshauses ist darum ein Geheimtipp für einen tollen Ausflug, gerade auch mit Kindern. Ich kann einen Trip ins Verkehrshaus nur empfehlen, gerade auch jetzt, nachdem die Sommerferien vorbei sind und für viele der Alltag wieder Einzug hält.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Endlich Sommerferien! Kinder und Erwachsene in ganz Europa freuen sich auf Erholung, Strandferien und ein bisschen Ruhe vom Alltag. Währenddessen zelebrieren die Medien das Sommerloch, denn schliesslich passiert ja nicht viel in der Welt.
Andere aber, die freuen sich aus einem ganz anderen Grund auf die Ferienzeit. Die Rede ist von Parlamenten, Regierenden und Kommissionsangehörigen in unserem Land, aber auch und insbesondere in Europa. Schliesslich ist die Sommerpause der anderen der absolut perfekte Zeitpunkt, unliebsame, unpopuläre oder auch mal unfertige Gesetze und Verordnungen rasch durch die unergründlichen Wege der Demokratie und an der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbei zu schleusen.
Genau auf diese Strategie setzt auch die EU-Kommission und versucht ihr neues Klimapaket «Fit for 55» möglichst ohne grosses Aufsehen in Kraft zu setzen. Dass dieser Plan nur so halb aufgegangen ist, verdanken wir zwei Gruppen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich in den vergangenen Wochen mit offenen Briefen an die Kommission gewandt und damit einiges an Medienecho ausgelöst haben. Im Fokus der Forschenden: die neue Verordnung zu den Flottenemissionsgrenzwerten – der nächste Angriff auf jedes Fahrzeug ohne batterieelektrischen Antrieb.
Harsche Kritik gibt es vor allem an der methodischen Ungleichbehandlung der verschiedenen Fahrzeugtechnologien. Insbesondere die Batteriefahrzeuge können nach wie vor als Null-Emissionsfahrzeuge in der Statistik geführt werden, obwohl in den meisten europäischen Ländern der Strom mehr kohlebraun denn windgrün ist. Gleichzeitig werden alternative, nachhaltige Treibstoffe geflissentlich ignoriert. Die Verordnung ist ein entlarvendes Dokument und Ausdruck einer arbiträren und opportunistischen Politik, welche genau deswegen am Ende ohne Wirkung bleiben wird.
Entsprechend logisch sind deshalb die Forderungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich direkt auf die Schweiz übertragen lassen. Die Emissionsvorschriften für Fahrzeuge müssen technologie neutral gestaltet werden.
Dazu sind laut den Verfasserinnen und Verfassern anstelle uneinheitlicher Methoden drei Grundsätze anzuwenden: Erstens müssen alle Massnahmen zu real messbaren Reduktionen führen. Zweitens dürfen aus den Vorschriften keine CO2-Exporte in andere Länder entstehen. Drittens müssen neu Massnahmen schnell und global anwendbar sein.
Wer weiss, vielleicht wäre die EU-Kommission gut damit beraten, für ein paar Wochen ihre Brüsseler Büros zu schliessen, sich ebenfalls eine Sommerauszeit zu gönnen und danach mit klarem Kopf an einer tatsächlich umsetz baren, unbürokratischen und tatsächlich wirksamen Klima politik zu arbeiten.
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse
Das neue CO2-Gesetz wurde an der Urne versenkt. Zu viele der darin vorgesehenen Massnahmen zur CO2-Reduktion fanden in der Bevölkerung keine Akzeptanz. Die Menschen schätzen es nicht, in schulmeisterlicher Manier eingeteilt zu werden in Gute, die bekommen, und Böse, die bezahlen. Auch nicht im Namen des Klimaschutzes. Selbst die Verlierer vom 13. Juni gelangen zu dieser Einsicht, wenn auch etwas spät. So liess sich etwa der grüne Zürcher Baudirektor in den Medien folgendermassen zitieren: «Für viele hatte diese Gebühr den Charakter einer Strafzahlung für schlechtes Verhalten. So lassen sich viele Bürgerinnen und Bürger nur ungern lenken.»
Das Scheitern des CO2-Gesetzes öffnet den Weg für wirtschaftlich und technisch machbare Ansätze für den Klimaschutz. Die Mineralölbranche arbeitet schon seit Jahren an technologischen Lösungen, die im Gegensatz zu Abgaben, Subventionstöpfen und Vorschriften zweifellos mehrheitsfähig sind. Mit dem wachsenden Anteil CO2-neutraler biogener Komponenten im Treibstoff zeigt sie einen dieser Wege auf.
Solche C02-arme Energieträger - wozu in Zukunft auch die synthetischen Brenn- und Treibstoffe zu zählen sind - können in steigendem Masse den fossilen Brennstoffen beigemischt werden und so den Energieverbrauch in der Mobilität und im Gebäudebereich klimaverträglicher gestalten. Dies ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht vernünftig, erübrigt sich doch der Aufbau einer milliardenteuren neuen Infrastruktur, wie sie etwa für die Elektromobilität notwendig ist.
Die Konzentration der Mittel auf bewährte Strukturen bietet vor allem auch Gewähr für die Sicherheit unserer Energieversorgung. Dieser zugegebenermassen konservative Ansatz mag in Kürze mehr Gewicht gewinnen, als uns lieb sein mag. Ein Stromabkommen ist mit dem Scheitern des Rahmenvertrags mit der EU in weite Ferne gerückt, und damit ist unsere Stromversorgung in Zukunft gefährdet. Dieser Umstand dringt nun allmählich ins Bewusstsein einer von Versorgungsängsten bisher weitgehend verschont gebliebenen Bevölkerung. Dann werden Benzin und Diesel wohl eher wieder als das wahrgenommen, was sie nebst der C02-Quelle auch sind: verlässliche, verfügbare und bezahlbare Energie. Die Einteilung in Gut und Böse erscheint dann in einem neuen Licht. Oder ist es etwa seriös, die Gleichung «Klimaschutz gleich Elektrifizierung» aufzustellen, wenn es hierzulande keine realistischen Konzepte für die Produktion von erneuerbarem Strom und den Ersatz der Kernenergie gibt? Die Promotoren der sogenannten Energiewende haben da in den vergangenen zehn Jahren ihre Hausaufgaben auf jeden Fall nicht gemacht. Wir können bloss hoffen, dass wir die Rechnung für dieses Versagen nicht eines Tages auf die harte Tour in Form eines Strom-Blackouts serviert bekommen.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Die Preise an den Zapfsäulen haben sich in den vergangenen Wochen erhöht. Die Preissteigerung von Benzin und Diesel ist in der Schweiz jeweils deutlich weniger ausgeprägt als der Anstieg der Rohölpreise. Diese geben dem Preis an der Zapfsäule weniger Gewicht, als man denken könnte. Viel entscheidender sind die Mineralölsteuer und der Mineralölsteuerzusatz sowie die Importabgaben. Derzeit machen diese staatlichen Abgaben deutlich mehr als die Hälfte des Benzinpreises aus. Der preisliche Einfluss des Rohöls lässt sich auf rund 25 bis 30 Prozent beziffern.
Dass die Benzinpreise bereits im Januar gestiegen sind, hat folglich nicht nur mit der Entwicklung des Rohölpreises zu tun. Vielmehr hat der Bund die Steuersätze per 1. Januar 2021 um 3,7 Rappen pro Liter Benzin und Diesel erhöht. Die Steuern und Abgaben bewegen sich damit derzeit in Richtung 90 Rappen pro Liter Treibstoff.
Wie sich der Benzinpreis künftig entwickelt, lässt sich naturgemäss schwer sagen. Dies hängt von zahlreichen Faktoren ab, etwa dem Beschaffungspreis der Produkte, den die Tankstellen zu entrichten haben. Doch eines ist sicher: Sollte die Schweizer Stimmbevölkerung am 13. Juni dem CO2-Gesetz zustimmen, dann steigt der Anteil der vom Staat verordneten Abgaben für Treibstoffe um mehr als 10 Prozent, denn die zusätzlichen Kosten für CO2-Kompensationsgeschäfte werden sich auf bis zu 12 Rappen pro Liter Benzin oder Diesel belaufen. Es ist illusorisch zu glauben, dieser im Gesetz verankerte Deckel werde wohl schon nicht ausgeschöpft. Im Gegenteil: es drohen zusätzlich preistreibende Strafen, falls die strengen Kompensationsverpflichtungen nicht finanziert werden können.
Damit ist das Ende der Fahnenstange leider noch nicht erreicht. Das CO2-Gesetz sieht eine Umverteilung der Hälfte der Gelder vor, die dem Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF) zufliessen sollten. Die Folge: Im Bereich Strasseninfrastruktur werden dringend notwendige finanzielle Mittel für den Unterhalt und den Ausbau des Strassennetzes fehlen. Darum wäre nach einer Annahme des Gesetzes eine zusätzliche Erhöhung der Mineralölsteuer wohl nur eine Frage der Zeit – irgendwie müssen die fehlenden Gelder ja kompensiert werden. Damit würde der motorisierte Individualverkehr noch mehr belastet.
Wer jetzt denkt, dass diese Preiserhöhungen nur die Automobilistinnen und Automobilisten betreffen, denkt zu kurz. Wenn sich aufgrund der höheren Treibstoffpreise die Transportkosten generell stark erhöhen, werden über kurz oder lang auch die Güter des täglichen Lebens teurer. Wir bezahlen dann nicht nur höhere Preise für Benzin und Diesel, sondern auch für das Gipfeli beim Bäcker oder die Blumen im Blumenladen. So verteuert das CO2-Gesetz also nicht nur die Treibstoffe (und auch die Brennstoffe), sondern insgesamt unser ganzes Leben. Am 13. Juni haben wir die Chance, an der Urne ein Nein einzulegen.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Eine neue Ausstellung im Verkehrshaus in Luzern zeigt die Zukunft der Treibstoffe. Wir haben uns umgesehen.
Wochenlang waren alle Museen der Schweiz zwangsgeschlossen. Seit 1. März darf das Publikum wieder zwischen Klimt und Vermeer flanieren, etwas über die Reformation von Zürich lernen und Dinosaurierskelette bestaunen. Kurz: Die Museen sind wieder geöffnet.
Auch das meistbesuchte Museum der Schweiz, das Verkehrshaus in Luzern, konnte seine Türen wieder öffnen. In der grossen Halle für den Strassenverkehr wartet das Verkehrshaus mit einer neuen Themeninsel auf. Unter dem Motto Powerfuel wird den Besuchern nähergebracht, was uns weiterbringt: Treibstoffe.
Die Alternativen kommen
Gleichzeitig mit der immer stärkeren Verbreitung von Elektroautos erhalten auch die Alternativen dazu wieder Aufwind. Noch immer gibt es bezüglich Energiedichte und Einfachheit in der Handha- bung nichts, was mit flüssigen Treibstoffen mithalten kann. Die beiden vielversprechendsten sind Wasserstoff und synthetische Treibstoffe, die bei- de eine CO2-neutrale Alternative darstellen können – eine entsprechende Herstellung vorausgesetzt. Für sie muss keine komplett neue Infrastruktur aufgebaut werden. Dass die bestehende Infrastruktur – also Tankstellen – noch eine ganze Weile ihre Daseinsberechtigung haben wird, wird gerne übergangen, wenn man über die Zukunft der Elektromobilität spricht. Denn allen grossartigen Anteilen der E-Autos an den Neuwagen zum Trotz machen Autos, die ganz ohne Tank auskommen, immer noch weniger als ein Prozent aus.
Wir haben uns die Ausstellung im Verkehrshaus zusammen mit Roland Bilang kurz nach der Eröffnung angesehen und uns mit ihm über die Zukunft der Treibstoffe unterhalten. Bilang ist Geschäftsführer von Avenergy Suisse, dem Branchenverband der Importeure, Hersteller und Vertreiber von flüssigen Treibstoffen in der Schweiz, und einer der Initianten hinter der Ausstellung. «Wir hatten eine ähnliche Ausstellung auch schon am Autosalon Genf, aber ich denke, hier im Verkehrshaus passt es besser. Die Besucher sind neugierig, interessiert und wollen Wissen konsumieren. Das können wir ihnen hier vermitteln», erklärt Bilang.
Wir treffen uns mit den Vertretern von Avenergy vor dem Eingang zum Verkehrshaus und bereiten uns schon auf eine erste Diskussion vor – schliesslich sind wir mit dem Elektroauto angereist. «Wir sind mit dem Zug gekommen, die Verbindungen von Zürich nach Luzern sind wirklich gut», zerlegt Bilang in einem Satz das Klischee, das man von einem Vertreter der Ölindustrie hätte haben können.
Wasserstoff im Zentrum
Blickfang der Ausstellung, die eingebettet ist zwischen historischen Autos aus Schweizer Produktion und Formel-1-Rennwagen von Red Bull, ist ein Hyundai Nexo, das Wasserstoff-Brennstoffzellen- SUV von Hyundai. «Hyundai ist unser Partner für solche Projekte. Dank ihres Engagements im Bereich Wasserstoff passen wir sehr gut zusammen», erklärt Roland Bilang die Kooperation.
Dem Konzept des Verkehrshauses folgend soll auch Powerfuel alle Altersklassen ansprechen. Für die Kleinen gibt es spielerische Unterhaltung, für die Grossen solide Informationen. Die Attraktion für kleine Zappelphilipps und -philippas ist die überdimensionierte Leinwand mit Beamer, die eine virtuelle Wasserstofftankstelle darstellt. Kinder können unter vollem Körpereinsatz aus Wassermolekülen Wasserstoff herstellen, der dann in die virtuellen Autos getankt wird. Oder sie lernen an einer echten Wasserstoffzapfsäule, dass Wasserstofftanken auch keine Hexerei ist – das hätte einem Autotester der AUTOMOBIL REVUE auch gutgetan, der kürzlich mit dem Toyota Mirai ratlos an einer Wasserstofftankstelle stand ...
Und wie schreitet der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in der Realität voran? Zusätzlich zur Ost-West-Achse vom Bodensee nach Genf, an der heute sechs Wasserstofftankstellen stehen, sollen bis Ende Jahr noch einmal vier weitere dazukommen. «Im Moment ist der Ausbau leider nicht ganz einfach. Es ist alles noch sehr klein, das heisst, auch die Infrastruktur steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Techniker kommen aus dem Ausland und können jetzt nicht einreisen.» Die Branche hält aber an ihrem Ziel fest, bis Ende 2023 eine Infrastruktur aufzubauen, die eine flächendeckende Versorgung mit sauberem Wasserstoff ermöglicht. «Der Wasserstoff in der Schweiz wird vollständig aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt, da sind keine fossilen Anteile drin. So kann er seinen Teil zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen», unterstreicht Bilang den Stellenwert von Wasserstoff als möglicher Technologie der Zukunft.
Das Potenzial synthetischer Treibstoffe
Eine andere Möglichkeit, die ebenfalls noch kaum genutzt wird, sind synthetische Treibstoffe, die Syn-Fuels oder E-Fuels, denen auch ein Teil von Powerfuel gewidmet ist. Denn auch wenn der Anteil an Elektroautos bei den Neuwagen stetig zunimmt, so dauert der Wandel doch lange. Das Durchschnittsalter eines Personenwagens in der Schweiz beträgt 8.4 Jahre, bis die komplette Flotte abgelöst ist, dauert es also Jahrzehnte, ausserdem steht eine zufriedenstellende Ladeinfrastruktur oftmals nicht zur Verfügung. Die Umstellung von fossilen auf synthetische Treibstoffe bietet grosses Potenzial für die Dekarbonisierung dieser Fahrzeugflotte. So unterstützen die Autohersteller selber die Entwicklung von synthetischen Treibstoffen. Porsche will die Produktion von Syn-Fuels in einer Pilotanlage in Chile bis 2025 auf 550 Millionen Liter jährlich hochfahren. Und Mazda ist Anfang 2021 der E-Fuel Alliance beigetreten, die sich für den industriellen Ausbau und die Förderung der weltweiten Produktion und Anwendung von Syn-Fuels einsetzt.
Das schätzt auch Roland Bilang entsprechend ein: «Synthetische Treibstoffe spielen heute noch eine untergeordnete Rolle. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass diese in Zukunft immer grösser wird. Für Flugzeuge beispielsweise sind sie eine gute Alternative. Für die Herstellung von Kohlewasserstoffen braucht es auch noch CO2. Es ist wichtig, dass dieses aus der Atmosphäre kommt, sonst ist der Kreislauf nicht geschlossen.»
Ein weiterer Partner der Themeninsel ist die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), die grosse Anstrengungen unternimmt, nachhaltige Mobilität zu fördern. So wird am Standort der Empa in Dübendorf ZH intensiv an synthetischen Treibstoffen geforscht und die Erkenntnisse aus den eher trockenen Forschungsberichten werden im Verkehrshaus auf leicht verständliche Weise erlebbar gemacht.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Editorials 2020
Obwohl synthetische Treibstoffe noch weit von wirtschaftlicher Marktreife entfernt sind, ist die Akzeptanz bei den Konsumenten vorhanden.
Rund die Hälfte der Kunden würde heute bei einem Neuwagen auf einen Verbrenner setzen. Dies hat eine repräsentative Umfrage von Bosch in Europa ergeben. Und: 70 Prozent der Befragten befürworten eine Umweltprämie auch für saubere Verbrenner.
Das zeigt: Der Verbrenner ist noch lange nicht am Ende, das Bedürfnis nach sauberen Verbrennungsmotoren auch bei den Kunden hoch. Die überwiegende Mehrheit der Befragten unterstützt auch eine steuerliche Unterstützung von synthetischen Treibstoffen.
Diese können einen grossen Beitrag zu weniger klimaschädlicher Mobilität leisten. Erneuerbare Energie wird genutzt, um Wasser (H2O) per Elektrolyse in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zu spalten. Der Atmosphäre wird per Direct Air-Capture (DAC) CO2 entzogen. Aus dem Wasserstoff und dem Kohlenstoffdioxid werden im Power-to-Gas-Verfahren (PTG) synthetische Treibstoffe hergestellt. Der Wasserstoff und der Kohlenstoff bilden dabei die für die Verbrennung wichtigen Kohlenwasserstoffmoleküle. Bei der Verbrennung im Motor zersetzen sich diese wieder, ausgestossen wird Wasser (H2O) und CO2. Der Kreislauf beginnt von vorne.
Güterverkehr als Treiber
Neben Porsche arbeiten auch andere Hersteller und Konzerne aus dem Automobilsektor an synthetischen Treibstoffen. So forscht Zulieferer Bosch an E-Fuels. «Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, kommen wir um E- Fuels nicht herum», sagt Stefan Hartung, Mitglied der Geschäftsführung von Bosch. «Nur mit synthetischen Kraftstoffen können die weltweit mehr als eine Milliarde Fahrzeuge, die bereits auf den Strassen sind, zum Klimaschutz beitragen.» Der deutsche Konzern arbeitet selber nicht aktiv an der Entwicklung von E-Fuels. «Unsere Rolle ist es, die kraftstoffführenden Komponenten E-Fuel-ready zu machen», so Pressesprecher Joern Ebberg. Auch Audi hatte 2017 angekündigt, versuchsweise in die Produktion von synthetischem Diesel einzusteigen. Dies sollte sogar in einer Anlage in der Schweiz im aargauischen Laufenburg passieren. Wie inzwischen bekannt wurde, hat man das Projekt aber Anfang dieses Jahres eingestellt.
Das grösste Projekt in Europa zur Produktion synthetischer Treibstoffe entsteht derzeit in Norwegen. Unter dem Namen Norsk E-Fuel arbeiten verschiedene Firmen, darunter auch der Schweizer Direct-Air-Capture-Experte Climeworks an einer Produktionsanlage, die bis 2026 jährlich 100 Millionen Liter E-Fuels produzieren soll. Diese sollen primär in «schwer elektrifizierbaren Sektoren» zum Einsatz kommen, also vorderhand im Flugverkehr und in der Schifffahrt.
«In manchen Bereichen, etwa im Gütertransport auf langen Distanzen, sind die flüssigen Energieträger schlichtweg alternativlos. Auch das ausschliesslich mit Batteriestrom betriebene Flugzeug wird ein exotisches Experiment bleiben», ist Roland Bilang, Geschäftsführer von Avnergy, überzeugt. «Die Zukunft gehört also sehr wohl auch den flüssigen Energieträgern, deren fossiler Anteil laufend gesenkt werden kann. Theoretisch spricht nichts dagegen, dass in einigen Jahren 100 Prozent biogene und synthetische Treibstoffe aus der Zapfpistole kommen, sodass der Strassenverkehr dann vollständig CO2-frei wäre.»
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Der Avenergy-Geschäftsführer über die Zukunft flüssiger Treibstoffe, Fahrverbote für Verbrenner und Mobiltiy-Pricing.
Die Änderungen, die die Revision des CO2-Gesetzes für Autofahrer mit sich bringt, sind drastisch: Eine weitere Erhöhung des Benzinpreises um bis zu zwölf Rappen pro Liter beispielsweise. Als Geschäftsführer von Avenergy Suisse vertritt Roland Bilang die Interessen der Importeure fossiler und anderer Flüssigtreibstoffe und ist mit dieser Entwicklung alles andere als zufrieden. Die Art, wie die Schweizer Strassen finanziert würden, müsse überdacht werden, sagt er im Interview.
Automobil Revue: Früher war es die Erdöl-Vereinigung, heute heissen Sie Avenergy Suisse. Wieso diese Namensänderung?
Roland Bilang: Die Namensänderung stand am Enden eines langen Prozesses. In den vergangenen rund acht Jahren gewannen alternative Treibstoffe und Biotreibstoffe bei uns mehr und mehr an Bedeutung. Der Ausbau des Wasserstoffnetzes in Deutschland und in der Schweiz zum Beispiel hat uns gezeigt, dass wir auch in diesem Bereich etwas unternehmen sollten, und so ist der Gedanke gereift, dass der Name Erdöl-Vereinigung nicht mehr zutreffend ist. Aber ich möchte betonen, dass wir nach wie vor der wichtigste Player im Erdölmarkt in der Schweiz sind und dass das Erdöl der wichtigste Energieträger in unserem Land ist. Wir vollführen eine Gratwanderung: Wir müssen heute die Versorgung mit Erdölprodukten sicherstellen und gleichzeitig auch über die Zukunft nachdenken. Deswegen auch Av, das für Avenir steht: Wir sehen für diese Branche sehr wohl eine Zukunft.
Der Rohölpreis ist in den letzten Monaten stark eingebrochen. Wieso wurde der Benzinpreis nicht im gleichen Masse günstiger?
Mehr als die Hälfte des Benzinpreises ist durch Steuern und Abgaben fix festgelegt, alles in allem sind das rund 85 Rappen. Das ist der Preis, den wir nicht unterschreiten können, selbst wenn das Benzin gratis wäre. Dazu haben wir Verarbeitungsprozesse, das Öl muss raffiniert werden, es gibt Transport- und Vertriebskosten. Wir haben uns auch schon überlegt, was der tiefstmögliche Benzinpreis an der Zapfsäule sein könnte, wenn das Rohöl nichts kosten würde: Er liegt deutlich über einem Franken pro Liter. Gesamthaft sind das rund fünf Milliarden Franken, die in die Bundeskasse fliessen. Der Bund hat deshalb auch ein Interesse daran, dass der Konsum auf diesem Niveau bleibt auch wenn das so natürlich niemand sagen würde.
Wenn immer mehr Leute Elektroautos kaufen und die Nachfrage nach Benzin abnimmt, müsste der Benzinpreis eigentlich sinken...
Ich würde die Argumentation eher umkehren: Die Elektromobilität wird auch ihren Teil zur Finanzierung der Infrastruktur leisten müssen. Wir befinden uns immer noch in einem Fördermodus, der aber unserer Meinung nach sehr bald überdacht werden muss. Man darf nicht vergessen: Elektroautos haben den gleichen Bedarf an Infrastruktur und nutzen die Strassen eher noch etwas mehr ab, da sie tendenziell schwerer sind als Verbrenner. Aber auf der anderen Seite ist die Elektromobilität immer noch eine sehr kleine Nische, und des halb ist diese Frage noch nicht sehr drängend. Wir würden uns dagegen wehren, dass man jetzt einfach auf der Treibstoffseite die Abgaben erhöht, um die fehlenden Einnahmen zu kompensieren.
Und wo wird das hinführen?
Wir werden auch Alternativen auf den Markt bringen, wie Biotreibstoffe. Diese sind im Moment noch steuerbefreit, aber die Politik hat entschieden, dass dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. Für uns ist es stossend, dass Biotreibstoffe besteuert werden, aber auf der anderen Seite die Elektroautos nicht. Das ist eine versteckte Förderung der Elektromobilität. Auch aus Sicht der Tankstellenbetreiber sind Elektroautos unattraktiv: Sie benötigen eine eigene Infrastruktur und viel Platz, weil sie relativ lange stehen. Wenn der Kunde kommt, tankt, im Laden noch etwas kauft und wieder geht, ist das natürlich wirtschaftlich attraktiver.
Wie stehen Sie einem Modell wie Mobility-Pricing gegenüber? Könnte das eine Lösung sein?
Absolut! Wir sind der Meinung, dass man mit der Umsetzung von Mobility-Pricing beginnen muss. Aber es darf ausschliesslich dazu dienen, die Finanzierung der Infrastruktur zu gewährleisten. Mobility-Pricing darf nicht dazu dienen, das Verhalten der Leute zu lenken, Verkehrsspitzen zu brechen oder sogar noch eine ökologische Komponente beinhalten. Dafür verfügen wir bereits über Instrumente wie das CO2-Gesetz oder das Energiegesetz. Mit den Abgaben muss eine Infrastruktur bereitgestellt werden, damit die Mobilität gewährleistet ist und die Wirtschaft funktionieren kann. Wir sind auch der Meinung, dass jeder gefahrene Kilometer bepreist werden muss, unabhängig davon, welches Gefährt genutzt wird. Auch Velofahrerinnen und -fahrer, die immer mehr Infrastruktur für sich beanspruchen wollen, sollen ihren finanziellen Beitrag leisten. Es wäre eine provokative und richtungsweisende Diskussion, die wir bis jetzt aber noch nicht angestossen haben.
Im Ausland führen immer mehr Städte Fahrverbotszonen für Verbrennungsmotoren ein. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Bestrebungen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Das ist meiner Meinung nach nicht zu Ende gedacht. Die 4.6 Millionen benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeuge, die heute in der Schweiz unterwegs sind, können unmöglich eins zu eins durch Elektroautos ersetzt werden. Es müssten Milliardenbeträge investiert werden, um einen minimalen Umweltfortschritt zu erzielen. Die ökologische Differenz zwischen einem guten Diesel und einem Elektroauto ist heute nahezu vernachlässigbar. Das sollte nicht der Staat regeln. Ich persönlich er achte es als angenehm, 1000 Kilometer mit einem Tank zu fahren, der innert drei Minuten gefüllt ist.
Sind synthetische Treibstoffe die Zukunft?
Synthetische Treibstoffe – wir nennen sie Synfuels – werden sicher ihren Platz haben in der Mobilität der Zukunft, denn in gewissen Anwendungen gibt es schlichtweg keine Alternativen zu flüssigen Treibstoffen. In der Luftfahrt beispielsweise wäre es illusorisch anzunehmen, dass da etwas anderes als flüssiger Treibstoff zum Einsatz kommen kann. Das gleiche gilt für Schwertransporte und Schiffe.
Wie gehen Sie mit dieser Entwicklung um?
Wir machen bereits heute die Treibstoffe sukzessive emissionsärmer, indem wir Biotreibstoffe beimischen. So sparen wir jährlich rund 600’000 Tonnen an CO2 ein. Das lässt sich problemlos extrapolieren, sodass wir diesen Wert in den nächsten Jahren auf eine Million Tonnen CO2 jährlich steigern können. Hundert Prozent Biotreibstoff wird wohl nicht möglich sein, denn Biotreibstoff ist nicht billig und müsste politisch unterstützt werden.
Was haben Biotreibstoffe sonst für Vorteile?
Bis 2023 sind sie noch steuerbefreit, aber mit der Änderung des C02-Gesetzes wird das nicht mehr der Fall sein. Ein unverständlicher Entscheid, da man grosse Investitionen getätigt hat, die eben erst begonnen hätten, sich auszuzahlen. Im schlimmsten Fall könnte das sogar das Ende der Biotreibstoffe bedeuten. Das gleiche gilt für die synthetischen Treibstoffe. Das Ziel sollte aber sein, dass wir bis 2050 keine fossile Komponente mehr in den flüssigen Treibstoffen haben. Aber alternative Treibstoffe sind teuer, und man muss über ein Finanzierungsmodell nachdenken. Deshalb geht die Transition auch nicht schneller. Für Synfuels müssen Sie Wasserstoff synthetisieren und benötigen eine C02-Quelle. Und es nützt nichts, wenn Sie ein paar Liter herstellen können, Sie brauchen ein paar Milliarden Liter pro Jahr. Doch die Entwicklung schreitet voran, alleine schon weil man in der Luftfahrt nicht auf Kerosin verzichten kann.
Was ist der Zeithorizont?
Das braucht sicher noch zehn Jahre Investitionen. Zwischen 2030 und 2040 könnten sie auf den Markt kommen. Die Finanzierung müsste bereits heute geklärt werden, sodass das bezahlbar bleibt. Wir sind aber der Meinung, dass Subventionen nicht zwingend notwendig sind. Es sollte auch marktwirtschaftlich lösbar sein. Aber es würde bedeuten, dass man den Treibstoff heute um 15 bis 20 Rappen verteuern müsste – die Empa hat das in einer Studie von Avenir Suisse dargelegt. Die Frage ist jetzt: Wollen wir diesen Betrag für die Entwicklung von Synfuels bezahlen, oder wollen wir ihn in andere Dinge investieren. Je genauer die Bevölkerung weiss, was sie unterstützt, umso grösser ist auch die Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten.
Können uns die Synfuels auch eine politische Unabhängigkeit vom Ausland bieten?
Es ist absehbar, dass wir in der Schweiz nicht genügend C02-neutralen Strom produzieren können, um diese Menge an synthetischen Treibstoffen herzustellen, erst recht nicht, wenn zeitgleich die Kernkraftwerke abgeschaltet werden sollen.
Kann Wasserstoff die Zukunft sein?
Im Transportwesen kann das sicher funktionieren. Es kann gut sein, dass der Energieträger für den Güterverkehr ein anderer sein wird als derjenige für den Privatverkehr. Es wird sich zeigen, was sich da für eine Dynamik ergibt. Wenn viele Menschen ein Auto mit Elektroantrieb, sich aber nicht mit Reichweiten- und Ladeproblemen herumschlagen wollen, dann könnte es schon sein, dass Brennstoffzellen die Zukunft sind. Aber natürlich muss dazu das Fahrzeugangebot wachsen. Und wenn die Flotte der Wasserstoff-Lastwagen wie geplant wächst, dann ist das schon ein starkes Zeichen dafür, dass die Technologie funktioniert.
Wird die Zukunft der Energieträger vielfältiger als heute?
Davon sind wir überzeugt, und das unterscheidet uns auch von der öffentlichen und politischen Meinung, die die Elektromobilität als einzige Lösung sieht. Wir denken, dass die batterieelektrische Mobilität eine relativ kleine Nische bleiben wird. Dazu wird es die Brennstoffzelle geben und C02-neutrale, flüssige Treibstoffe. So können die Leute ohne schlechtes Gewissen bei ihrem geliebten V8 bleiben (lacht). Die Idee müsste doch sein – und das ist in der Politik noch nicht so richtig angekommen –, das System zu behalten und den Energieträger C02-neutral zu machen. Zurzeit beobachten wir einen riesigen medialen und politischen Hype um das Elektroauto. Trotzdem geht die Entwicklung langsam voran. Das sagt schon auch einiges aus.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Der Avenergy-Geschäftsführer über die Zukunft von flüssigen Treibstoffen, Fahrverbote für Verbrenner und Mobiltiy Pricing.
Die Änderungen, die die Revision des CO2-Gesetzes für Autofahrer mit sich bringt, sind drastisch: Eine weitere Erhöhung des Benzinpreises um bis zu 12 Rappen pro Liter beispielsweise.
Als Geschäftsführer von Avenergy Suisse vertritt Roland Bilang die Interessen der Importeure von fossilen und anderen flüssigen Treibstoffen und ist mit dieser Entwicklung alles andere als zufrieden. Die Art, wie die Schweizer Strassen in Zukunft finanziert würden, müsse grundsätzlich überdacht werden, sagt er im Interview.
Automobil Revue: Früher war es die Erdöl-Vereinigung, heute heissen Sie Avenergy Suisse. Wieso diese Namensänderung?
Roland Bilang: Die Namensänderung stand am Enden eines langen Prozesses. In den vergangenen rund acht Jahren gewannens alternative Treibstoffe und Biotreibstoffe bei uns mehr und mehr an Bedeutung. Der Ausbau des Wasserstoffnetzes in Deutschland und in der Schweiz hat uns zum Beispiel gezeigt, dass der Name «Erdöl-Vereinigung» nicht mehr zutreffend ist. Aber ich möchte betonen, dass wir nach wie vor der wichtigste Player im Erdölmarkt in der Schweiz sind, und dass Erdöl der wichtigste Energieträger in unserem Land ist. Wir vollführen eine Gratwanderung: Einerseits müssen wir heute die Versorgung mit Erdölprodukten sicherstellen und gleichzeitig auch über die Zukunft nachdenken. Deswegen auch das «Av», das für «Avenir» steht: wir sehen für diese Branche sehr wohl eine Zukunft.
Der Rohölpreis ist in den letzten Monaten stark eingebrochen. Wieso wurde der Benzinpreis nicht im gleichen Masse günstiger?
Mehr als die Hälfte des Benzinpreises ist durch Steuern und Abgaben fix festgelegt, alles in allem sind das rund 85 Rappen. Das ist der Preis, den wir nicht unterschreiten können, selbst wenn das Benzin gratis wäre. Dazu haben wir Verarbeitungsprozesse, das Öl muss raffiniert werden, es gibt Transport- und Vertriebskosten. Wir haben uns auch schon überlegt, was der tiefst mögliche Benzinpreis an der Zapfsäule sein könnte, wenn das Rohöl nichts kosten würde: Er liegt deutlich über einem Franken pro Liter. Gesamthaft sind das rund fünf Milliarden Franken, die in die Bundeskasse fliessen. Der Bund hat deshalb natürlich auch ein Interesse daran, dass der Konsum auf diesem Niveau bleibt – auch wenn das so natürlich niemand sagen würde.
Wenn immer mehr Leute Elektroautos kaufen und die Nachfrage nach Benzin abnimmt, müsste der Benzinpreis eigentlich sinken …
Ich würde die Argumentation eher umkehren: Die Elektromobilität wird auch ihren Teil zur Finanzierung der Infrastruktur leisten müssen. Wir befinden uns immer noch in einem Fördermodus, der aber unserer Meinung nach sehr bald überdacht werden muss. Man darf nicht vergessen: Elektroautos haben den gleichen Bedarf an Infrastruktur und nutzen die Strassen eher noch etwas mehr ab, da sie tendenziell schwerer sind als Verbrenner. Aber auf der anderen Seite ist die Elektromobilität immer noch eine sehr kleine Nische und deshalb ist diese Frage noch nicht sehr drängend. Wir würden uns dagegen wehren, dass man jetzt einfach auf der Treibstoffseite die Abgaben erhöht, um die fehlenden Einnahmen zu kompensieren.
Und wo wird das hinführen?
Wir werden auch Alternativen auf den Markt bringen, wie Biotreibstoffe. Diese sind im Moment noch steuerbefreit, aber die Politik hat entschieden, dass dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. Für uns ist es stossend, dass Biotreibstoffe besteuert werden, aber auf der anderen Seite die Elektroautos nicht. Das ist eine versteckte Förderung der Elektromobilität. Auch aus Sicht der Tankstellenbetreiber sind Elektroautos unattraktiv: Sie benötigen eine eigene Infrastruktur und viel Platz, weil sie relativ lange stehen. Wenn der Kunde kommt, tankt, im Laden noch etwas kauft und wieder geht, ist das natürlich wirtschaftlich attraktiver.
Wie stehen Sie einem Modell wie Mobility Pricing gegenüber? Könnte das eine Lösung sein?
Absolut! Wir sind der Meinung, dass man mit der Umsetzung von Mobility Pricing beginnen muss. Aber es darf ausschliesslich dazu dienen, die Finanzierung der Infrastruktur zu gewährleisten. Mobility Pricing darf nicht dazu dienen, das Verhalten der Leute zu lenken, Verkehrsspitzen zu brechen oder sogar noch eine ökologische Komponente drin haben. Dafür verfügen wir bereits über Instrumente, wie das CO2-Gesetz oder das Energiegesetz. Mit den Abgaben muss eine Infrastruktur bereitgestellt werden, damit die Mobilität gewährleistet ist und die Wirtschaft funktionieren kann. Wir sind auch der Meinung, dass jeder gefahrene Kilometer bepreist werden muss, unabhängig davon, welches Gefährt genutzt wird. Auch Velofahrerinnen und -fahrer, die immer mehr Infrastruktur für sich beanspruchen, sollten ihre finanziellen Beitrag leisten. Es wäre wahrscheinlich eine provokative und richtungsweisende Diskussion, die wir bis jetzt aber noch nicht angestossen haben.
Im Ausland führen immer mehr Städte Fahrverbotszonen für Verbrennungsmotoren ein. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Bestrebungen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Das ist meiner Meinung nach nicht zu Ende gedacht. Die 4.6 Millionen benzin- und dieselbetriebene Fahrzeuge, die heute in der Schweiz unterwegs sind, können unmöglich einfach so 1:1 durch Elektroautos ersetzt werden. Es müssten Milliardenbeträge investiert werden, nur um einen minimalen Umweltfortschritt zu erzielen. Die ökologische Differenz zwischen einem guten Diesel und einem Elektroauto ist heute nahezu vernachlässigbar. Ich finde auch, dass man die Wahl dem Konsumenten überlassen sollte. Das soll nicht der Staat regeln. Ich persönlich erachte es als angenehm, 1000 Kilometer mit einem Tank zu fahren, der innert drei Minuten gefüllt ist.
Sind synthetische Treibstoffe die Zukunft?
Synthetische Treibstoffe – wir nennen sie Synfuels – werden sicher ihren Platz haben in der Mobilität der Zukunft, denn in gewissen Anwendungen gibt es schlichtweg keine Alternativen zu flüssigen Treibstoffen. In der Luftfahrt beispielsweise wäre es illusorisch anzunehmen, dass etwas anderes als flüssiger Treibstoff zum Einsatz kommen kann. Das gleiche gilt für Schwertransporte und Schiffe.
Wie gehen Sie mit dieser Entwicklung um?
Wir machen bereits heute die Treibstoffe sukzessive emissionsärmer, indem wir Biotreibstoffe beimischen. So sparen wir jährlich rund 600’000 Tonnen an CO2 ein. Das lässt sich problemlos extrapolieren, so dass wir diesen Wert in den nächsten Jahren auf eine Million Tonnen CO2 jährlich steigern können. Hundert Prozent Biotreibstoff wird wohl nicht möglich sein, denn Biotreibstoff ist nicht billig und müsste politisch unterstützt werden.
Was haben Biotreibstoffe sonst für Vorteile?
Bis 2023 sind sie noch steuerbefreit, aber mit der Änderung des CO2-Gesetzes wird das nicht mehr der Fall sein. Ein unverständlicher Entscheid, da man grosse Investitionen getätigt hatte, die eben erst begonnen hätten, sich auszuzahlen. Im schlimmsten Fall könnte das sogar das Ende der Biotreibstoffe bedeuten. Das gleiche gilt für die synthetischen Treibstoffe. Das Ziel sollte aber sein, dass wir bis 2050 vielleicht keine fossile Komponente mehr in den flüssigen Treibstoffen haben. Aber alternative Treibstoffe sind teuer und man muss über ein Finanzierungsmodell nachdenken. Deshalb geht die Transition auch nicht schneller. Für Synfuels müssen Sie Wasserstoff synthetisieren und Sie brauchen eine CO2-Quelle. Und es nützt nichts, wenn Sie ein paar Liter herstellen können, Sie brauchen ein paar Milliarden Liter pro Jahr. Doch die Entwicklung schreitet voran, alleine schon weil man in der Luftfahrt nicht auf Kerosin verzichten kann.
Was ist der Zeithorizont?
Das braucht jetzt sicher noch zehn Jahre Investitionen. Zwischen 2030 und 2040 könnten sie im Markt eingeführt werden. Die Finanzierung müsste bereits heute geklärt werden, so dass das bezahlbar bleibt.
Benötigt das Subventionen?
Wir sind der Meinung, dass Subventionen nicht zwingend notwendig ist. Es sollte auch marktwirtschaftlich lösbar sein. Aber es würde bedeuten, dass man den Treibstoff heute verteuern müsste um 15 bis 20 Rappen – Die Empa hat das in einer Studie von Avenir Suisse dargelegt. Die Frage ist jetzt: Wollen wir diesen Betrag für die Entwicklung von Syn-Fuels bezahlen, oder wollen wir ihn in andere Dinge investieren. Je genauer die Bevölkerung weiss, was sie unterstützt, umso grösser ist die Bereitschaft, auch einen Beitrag zu leisten.
Können uns die Synfuels auch eine politische Unabhängigkeit bieten vom Ausland?
Es ist absehbar, dass wir in der Schweiz nicht genügend CO2-neutralen Strom produzieren können, um diese Menge an synthetischen Treibstoffen herzustellen, erst recht nicht, wenn zeitgleich die Kernkraftwerke abgeschaltet werden sollen.
Kann Wasserstoff die Zukunft sein?
Im Transportwesen kann das sicher funktionieren. Es kann gut sein, dass der Energieträger für den Güterverkehr ein anderer sein wird als derjenige für den Privatverkehr. Es wird sich zeigen, was sich da für eine Dynamik ergibt. Wenn viele Leute ein Auto mit Elektroantrieb wollen, aber sich nicht mit Reichweiten- und Ladeproblemen herumschlagen wollen, dann könnte es schon sein, dass Brennstoffzellen die Zukunft sind. Aber natürlich muss dazu das Fahrzeugangebot wachsen. Und wenn die Flotte der Wasserstoff-Lastwagen wie geplant wächst, dann ist das schon ein starkes Zeichen dafür, dass die Technologie funktioniert.
Wird die Zukunft der Energieträger vielfältiger als heute?
Davon sind wir überzeugt, und das unterscheidet uns auch in gewisser Weise von der öffentlichen und politischen Meinung, die die Elektromobilität als einzige Lösung sieht. Wir denken, dass die batterieelektrische Mobilität eine relativ kleine Nische bleiben wird. Dazu wird es die Brennstoffzelle geben und CO2-neutrale flüssige Treibstoffe. So können die Leute ohne schlechtes Gewissen bei ihrem geliebten V8 bleiben (lacht). Die Idee müsste doch sein, – und das ist in der Politik noch nicht so richtig angekommen – das System zu behalten und den Energieträger CO2-neutral zu machen. Zurzeit beobachten wir einen riesigen medialen und politischen Hype um das Elektroauto. Trotzdem geht die Entwicklung relativ langsamen voran. Das sagt schon auch einiges aus.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Die vom Nationalrat verabschiedete Totalrevision des Gesetzes hat Konsequenzen für die Autofahrer. Aber es kündigt sich ein Referendum an.
Der Nationalrat hat die Totalrevision des CO2-Gesetzes nahezu widerstandslos durchgewunken, im Dezember 2018 hatte er es noch abgelehnt. Am 10. Juni dieses Jahres nahm er es nun mit 135 zu 59 Stimmen an. Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Verpflichtungen der Schweiz im Kampf gegen die Klimaerwärmung im Rahmen des 2015 unterzeichneten Pariser Abkommens umzusetzen.
Ab 2025 sollen Importeure von Fahrzeugen, die mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen, maximal 90 Prozent der Emissionen und mindestens 20 Prozent durch Massnahmen in der Schweiz kompensieren. Der Preis für einen Liter Benzin würde also bis 2024 um maximal zehn Rappen, ab 2025 um maximal zwölf Rappen steigen.
Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Während manche die angenommene Fassung als nahezu identisch mit den Entwürfen von Stände- und Bundesrat betrachten, behauptet insbesondere die SVP, der Nationalrat habe sie verschärft.
Referendum kündigt sich an
Die SVP bestätigte, dass Einzelpersonen und Unternehmen durch die Änderungen massive finanzielle Einbussen erleiden würden. Sie will deshalb das Schweizer Volk zu Wort kommen lassen und erwägt ein Referendum.
SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor hofft, dass «diejenigen Kreise, die unter anderem die Interessen der Autofahrer vertreten, gegen dieses nutzlose Gesetz Front machen und es durch ein Referendum bekämpfen, da es gerade jetzt, wo die Covid-19-Krise und die damit verbundenen Massnahmen vielen Mitbürger schwer zugesetzt haben, den Interessen der Bevölkerung zuwiderläuft». Der Walliser Politiker gehört innerhalb der Partei zu einer Minderheit, die sich dafür einsetzt, dass die SVP in dieser Kampagne die Führung übernimmt.
Der Parteivorsitzende und Nationalrat Albert Rösti ist der Ansicht, dass das CO2-Gesetz die Wirtschaft zu stark belaste und dem Klima nicht hilft, «weil andere Länder der Welt weit weniger tun». Er bestätigt, dass die SVP ein Referendum mit anderen Parteien und Wirtschaftsorganisationen ergreifen will und gegebenenfalls die Führung übernehmen werde.
Verschärfung oder nicht?
Und was ist mit der FDP, die offenbar weiter auf der grünen Welle mitschwimmt? Laut Nationalrat Philippe Nantermod hat das Schweizer Volk den klaren Willen gezeigt, ein CO2-Gesetz zu verabschieden: «Das gilt auch für unsere Basis, wie die Umfrage vom letzten Jahr zeigt.» Der Walliser fügt hinzu: «Wahrscheinlich wird es ein Referendum geben. Das Volk wird das letzte Wort haben, und ich denke, das ist die beste Lösung.»
Sein Parteikollege Jacques Bourgeois ist der Ansicht, dass der Vorschlag des Ständerats nicht verschärft wurde: «Wir konnten verhindern, dass alle Strafen für Fahrzeugimporteure, die derzeit in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds fliessen, in den Klimafonds ein iessen werden. Ich persönlich war gegen diesen Transfer, und es war der Vorschlag meines Kollegen Paganini, der sich mit einer Hälfte für den NAF und der anderen für den Klimafonds durchsetzte.» Der Freiburger ergänzt: «Was den Vorschlag einer Obergrenze von zehn und zwölf Rappen ab 2025 betrifft, so stammt er vom Ständerat, und wir haben ihn nur gebilligt.»
Optimismus bei den Linken
Es überrascht nicht, dass die linken oder grünen Parteien zufrieden sind. Der sozialdemokratische Nationalrat Samuel Bendahan glaubt nicht, dass die Bevölkerung das Gesetz ablehnen wird, da es nicht so weitgreifend sei, sondern Vorhaben auf den Weg bringe, die von der Bevölkerung erwartet würden. Er weiss jedoch aus Erfahrung, dass es möglich ist, 50’000 Unterschriften zu sammeln und ein Referendum zu starten, wenn man genügend Geld investiert.
Die Grünen unterstützen das Gesetz, selbst wenn sie es mit Blick auf den Klimanotstand für noch zu gemässigt halten. Daniel Brélaz ist sicher, dass es ein Referendum geben wird, so wie die SVP das ankündige. Laut Brélaz, der aus der Waadt stammt, würden alle Parteien ausser der SVP, deren Präsident auch den Vorsitz von Swissoil innehabe, das Gesetz unterstützen. Er weist darauf hin, dass den Elektrofahrzeugen Vorteile eingeräumt worden seien und dass die den Importeuren auferlegten Verpflichtungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu einer Verringerung des Benzinverbrauchs führten: «Letztlich werden alle Autofahrer, die auf Elektroantriebe umsteigen oder ein neues Hybrid- oder Benzinfahrzeug kaufen, für ihre Fahrten weniger als heute bezahlen, da die Senkung des Treibstoffverbrauchs mehr kompensiert als die Auswirkungen der zehn bis zwölf Rappen – weniger als acht Prozent des Gesamtpreises für Benzin.»
Benachteiligte Wirtschaft
In der Automobilindustrie ist die Unzufriedenheit greifbar. François Launaz, Präsident der Importeursvereinigung Auto-Schweiz, ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Parlaments nicht zum richtigen Zeitpunkt getroffen wurde: «Die Schweiz durchlebt eine Zeit grosser Schwierigkeiten, Zweifel und finanzieller Probleme, und es wird eine Erhöhung der Treibstoffpreise um zehn bis zwölf Rappen angekündigt, insbesondere ohne dabei an die Autofahrer zu denken, die gezwungen sind, mit dem Auto in Regionen zu fahren, die keine anderen Möglichkeiten bieten.»
Der Präsident des Dachverbandes der Importeure bedauert ausserdem, dass die Finanzierung einer Ermässigung von vier Rappen für sogenannte Biotreibstoffe und weiteren vier Rappen für den NAF nicht erwähnt werde, wodurch die Steuern auf einen Liter Benzin in einigen Jahren um fast 20 Rappen stiegen. Er fordert mehr Ehrlichkeit. «Es ist nicht wahr, dass die Hälfte der Erhöhung an die Verbraucher umverteilt wird», sagt François Launaz.